Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung der Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts
Orientierungssatz
1. Bei der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts nach Nr. 2302 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 300.- €. (Schwellengebühr) nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
2. Bei einem Normal- bzw. Durchschnittsfall ist von der Mittelgebühr auszugehen. Die in § 14 Abs. 1 RVG aufgezählten fünf Bemessungskriterien stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander. Die Rechtsprechung billigt einem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu, wenn es sich nicht um einen Durchschnitts/Normalfall handelt (BSG Urteil vom 1. 7. 2009, B 4 AS 21/09 R).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.10.2018 - S 4 AS 3978/16 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu erstattenden Kosten für ein isoliertes Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 3 SGB X streitig.
Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Er bezieht seit 2010 durchgehend vom Jobcenter C Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 07.01.2014 stellte der Beklagte den vollständigen Wegfall der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 wegen wiederholter Pflichtverletzung fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, dem der Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2015 abhalf. Er übernahm die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Grund nach.
Der Kläger beantragte am 21.07.2016 die Erstattung der Kosten i.H.v. insgesamt 660,00 EUR (Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG 640,00 EUR + Pauschale für Post und Telekommunikation nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR). Er machte geltend, für die Geltendmachung der Höchstgebühr genüge es, wenn ein vom Rechtsanwalt ausgewähltes Kriterium den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertige. Die anwaltliche Tätigkeit sei umfangreich und schwierig gewesen, zum Umfang der durchgeführten Tätigkeit gehöre auch die im Kostenfestsetzungsverfahren, ebenso die Sichtung des umfangreichen Streitstoffs und die umfangreiche Auswertung, Heranziehung und Anführung der für die Erstellung des Widerspruchsschriftsatzes verarbeiteten Rechtsprechung und Literatur. Hinsichtlich der Schwierigkeit sei die Komplexität der Sachverhaltsaufklärung sowie das kompliziert geregelte Spezialrecht (SGB II) zu würdigen. Hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit sei der Verlust der sozialen Existenz, der Gedanke der Sicherung des Lebensunterhalts, die wirtschaftliche Bedeutung und die gesellschaftliche Stellung in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich des Kriteriums der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die Erwägung, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertrete, unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse als Auftraggeber oder ein Haftungsrisiko als Anwalt gegen sich selbst berücksichtigen solle, abwegig. Außerdem sei dieses Kriterium generell im Rahmen von SGB II-Verfahren kein gleichrangiges Beurteilungskriterium. Ferner könne die Bestimmung durch den Rechtsanwalt ausschließlich auf Ermessensfehler nachgeprüft werden, für die vom Rechtsanwalt vorgenommene Betragsbestimmung gelte ferner eine "Nichtbeanstandungsgrenze" von 20 %.
Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 03.08.2016 setzte der Beklagte die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 320,00 EUR fest. Der Kläger könne nur eine Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr von 300,00 EUR beanspruchen. Eine höhere Gebühr könne nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien hier als durchschnittlich einzustufen, nachdem sich das Widerspruchsschreiben gegen einen Sanktionsbescheid in Verbindung mit einem Eingliederungsverwaltungsakt gerichtet habe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 zurückwies.
Mit seiner am 17.10.2016 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und darauf verwiesen, die Bestimmung der Kosten durch den Rechtsanwalt könne ausschließlich einer Ermessensprüfung unterzogen werden könne. Außerdem bestehe eine Nichtbeanstandungsgrenze von 20 %.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 zu verurteilen, weitere Kosten i.H.v. 340,00 EUR zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 08.10.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen.
Dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Kosten i.H.v. 640,00 EUR zu. Der Bescheid vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 sei nicht zu beanstanden. Die vom Kläger getroffene Gebührenbestimmung sei unbillig. Die für die Bemessung des Gebührenrahmens nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Kriterien bewegten sich nicht durchgehend im weit überdurchschnittlichen...