Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte
Orientierungssatz
Nachdem das BVerfG die im Verfahren BSG, Urteil vom 12. Juli 2012, B 14 AS 153/11 R; FA 2013, 94, erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG, Beschluss vom 20. November 2012, 1 BvR 2203/12), ist die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte gem. §§ 19 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II (SGB 2) in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II (SGB 2)und SGB XII (SGB 12) höchstrichterlich geklärt (ebenso LSG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2012, L 11 AS 1165/11 B, NdsRpfl 2013, 163).
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.7.2012 geändert. Dem Kläger wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt O, N, bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH). Im Hauptsacheverfahren begehrt er höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 5.1.2012.
Der Beklagte bewilligte dem am 00.00.1987 geborenen Kläger für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 5.1.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Vom 1.1.2011 bis zum 24.8.2011 berücksichtigte er bei Festsetzung der Leistungshöhe für den bis zu diesem Zeitpunkt alleinstehenden Kläger einen Regelbedarf i.H.v. 364.- EUR monatlich. Ab dem 25.8.2011 lebte der Kläger mit seiner Lebensgefährtin N (geb. am 00.00.1990) in einer Bedarfsgemeinschaft. Ab diesem Zeitpunkt berücksichtigte der Beklagte für den Kläger einen Regelbedarf i.H.v. 328.- EUR. Ab dem 1.1.2012 legte der Beklagte der Leistungsberechnung einen Regelbedarf i.H.v. 337.- EUR (Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1.1.2012 vom 20.10.2011; BGBl. I, 2093) zugrunde (Bescheide vom 18.10.2010, 26.3.2011, 18.4.2011, 30.8.2011, 18.10.2011 und 26.11.2011). Neben dem Regelbedarf bewilligte der Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Bewilligungsbescheide wurden jeweils bestandskräftig.
Unter dem 5.1.2012 (bei dem Beklagten eingegangen am 12.1.2012) beantragte der Kläger - gestützt auf § 44 SGB X - eine Überprüfung der Leistungshöhe "für die Zeit ab 1.1.2011 bis heute". Die Regelsätze seien falsch.
Mit Bescheid vom 10.1.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den nicht näher begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 13.4.2012 zurück.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 23.4.2012 erhobene Klage, für die der Kläger PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt O beantragt hat. Er meint - u.a. unter Bezugnahme auf den Beschluss des SG Berlin vom 25.4.2012 (S 55 AS 9238/12) - der Regelbedarf für alleinstehende Leistungsberechtigte sei verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt.
Mit Beschluss vom 23.7.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt O abgelehnt. Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG und Einholung einer Entscheidung des BVerfG komme nicht in Betracht, da die Festsetzung des Regelbedarfs nicht verfassungswidrig sei.
Gegen diese am 28.7.2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 2.8.2012 eingelegte Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von PKH zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
PKH ist gem. §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO zu bewilligen, wenn - wie hier - die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist (BVerfG vom 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 u.a.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a RdNr. 7b; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 26.10.2012 - L 6 AS 1837/11 B). Bei Vorliegen einer dem Rechtsschutzbegehren entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist PKH-Bewilligung nicht ausgeschlossen, wenn schlüssig dargelegt werden kann, dass diese Rechtsprechung nicht zutreffend oder im speziellen Fall nicht anwendbar sei (Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 73a RdNr. 11). Macht der Kläger nicht geltend, dass der Beklagte eine entscheidungserhebliche gesetzliche Regelung falsch angewendet habe, sondern dass das Gesetz verfassungswidrig sei, sind Erfolgsaussichten gegeben, wenn die Möglichkeit, dass das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig hält und das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG aussetzt, nicht fernliegend ist (in diesem Sinne auch LSG Bayern, Beschlüsse vom 22.8.2012 - L 11 AS 549/12, L 11 AS 550/12, L 11 AS 551/12).
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