Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. Unerheblichkeit des wirtschaftlichen Interesses des Beschwerdegegners oder Beigeladenen. Besonderheit: vertragsärztliches Zulassungsverfahren. Wertberechnung für einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Zugrundelegung eines fiktiven Hauptsacheverfahrens. Begrenzung des zeitlichen Bemessungsfaktors. Irrelevanz von Umsatzvolumina durch Tätigkeit als Durchgangsarzt und steuerrechtlichen Ansätze
Orientierungssatz
1. Für die Streitwertfestsetzung kommt es nicht auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdegegners oder des Beigeladenen an.
2. Im Hinblick auf die Besonderheiten des Leistungserbringerrechts des SGB 5 ist hiervon dann eine Ausnahme zu machen, wenn Beschwerdeführerin eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ist und deren konkretes wirtschaftliches Interesse weder ersichtlich ist noch vorgetragen wird. Der Wert der Beschwer für die das Rechtsmittelverfahren zwecks Verteidigung ihres Bescheides betreibende KÄV ist spiegelbildlich zur Beschwer des Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht und deshalb nach denselben Grundsätzen zu bestimmen (vgl BSG vom 12.9.2006 - B 6 KA 70/05 B = SozR 4-1920 § 47 Nr 1).
3. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren, deren Gegenstand Zulassungssachen sind, ist für die Wertberechnung ein (fiktives) Hauptsacheverfahren zugrunde zu legen. Insoweit ist die Länge des Zeitraums zu schätzen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens typischerweise zu erwarten ist. Ein Abschlag wegen des besonderen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht.
4. In Anbetracht des hohen Kostenrisikos ist es jedoch wegen Art 19 Abs 4 GG geboten, den zeitlichen Bemessungsfaktor im einstweiligen Rechtsschutz auf ein Jahr zu begrenzen.
5. Der Streitwert wird nicht durch Umsatzvolumina erhöht, die aus einer Tätigkeit als Durchgangsarzt resultieren.
6. Steuerrechtliche Ansätze sind für die Streitwertbestimmung irrelevant.
Gründe
Nach §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA -, 13.08.2003 - L 10 B 10/03 KA ER -, 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -).
1. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (KV Nordrhein) am Ausgang des Rechtsstreits ist nicht erkennbar und wird von ihr auch nicht behauptet. Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung des Streitwertes kann daher insoweit nur auf den Auffangwert von 5.000,00 EUR zurückgegriffen werden (§ 52 Abs. 2 GKG). Andererseits wird das wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen zu 8) durch die Höhe der in einem bestimmten Zeitraum zu erzielenden Einnahmen bestimmt (dazu unter 2.) und liegt in Zulassungssachen regelhaft deutlich über dem Auffangwert von 5.000,00 EUR. Nach § 52 Abs. 1 GKG kommt es indessen nicht auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdegegners oder des Beigeladenen an. Der Wortlaut stellt allein auf die Bedeutung der Sache für den Kläger ab. Außer Betracht bleiben die Auswirkungen der Entscheidung auf andere Beteiligte (Hartmann, Kostengesetz, 2008, § 52 GKG Rdn. 9). Ungeachtet dessen hat das Bundessozialgericht (BSG) hierzu im Hinblick auf Besonderheiten des Leistungserbringerrechts des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgeführt (Beschluss vom 19.06.1992 - 6 RKa 40/93 -).
An der Festsetzung eines besonderen, abweichenden Gegenstandswertes für die Beigeladenen sieht sich der Senat durch § 13 Abs. 1 GKG dennoch nicht gehindert. Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur will allerdings im Hinblick auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift die Bildung unterschiedlicher Streitwerte nur ausnahmsweise für den Fall zulassen, daß sich die rechtliche Betroffenheit eines Beteiligten auf lediglich einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt. Sie hält es dagegen nicht für zulässig, über eine gesonderte Wertfestsetzung die voneinander abweichenden Interessen der Prozeßbeteiligten zur Geltung zu bringen (vgl. BSG SozR 3-1930 § 8 Nr. 1 S. 6).Ob § 13 Abs 1 GKG für das Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit zwingend eine gesonderte, an den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten ausgerichtete Streitwertfestsetzung ausschließt, kann auf sich beruhen, denn die Vorschrift gilt für das sozialgerichtliche Verfahren nicht unmittelbar. Ihre vom Senat geforderte ergänzende Heranziehung im Rahmen des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO soll lediglich sachlich nicht begründete Abweichungen gegenüber der verwaltungs- und finanzgerichtlichen Praxis vermeiden helfen. Dieser Zweck rechtfertigt es nicht, die Regelung auch insoweit zu übernehm...