Entscheidungsstichwort (Thema)
Einleitung des Überprüfungsverfahrens nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch die Staatskasse
Orientierungssatz
1. Das Beschwerderecht der Staatskasse bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) erstreckt sich auch auf die nachträgliche Überprüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers, dem PKH bewilligt worden ist.
2. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine routinemäßige Überprüfung durch das Gericht ist nicht vorzunehmen. Liegen Anhaltspunkte für eine Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht vor, so besteht für das Sozialgericht kein Anlass, das Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO einzuleiten.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.10.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Dem Antragsgegner ist für sein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mit dem er die sofortige Auszahlung von bewilligtem Arbeitslosengeld in Höhe von 680,- EUR begehrt hat, ratenfreie Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen bewilligt worden. Das Verfahren ist am 27.09.2006 für erledigt erklärt worden.
Der Beschwerdeführer hat im September 2009 förmlich beantragt, dem "Kläger" eine gerichtliche Frist zur Abgabe einer Erklärung, ob eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, zu setzen.
Das SG hat mit Beschluss vom 06.10.2009 den Antrag zurückgewiesen, weil der Antrag nicht statthaft und daher unzulässig sei.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig.
Das Begehren des Beschwerdeführers ist nicht allein auf den Erlass einer prozessleitenden Verfügung/Fristbestimmung durch das SG gerichtet, deren Ablehnung mit der Beschwerde nicht angreifbar ist (§ 172 Abs. 2 SGG). Vielmehr begehrt er die Einleitung des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO, welches gemäß § 73a Abs. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren stattfindet und das mit der Aufforderung an die Partei beginnt, innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären, wieweit sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Prozesskostenhilfebewilligung geändert haben (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rn 28).
In entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 3 ZPO steht der Staatskasse gegen die Beschlüsse im Überprüfungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO das Beschwerderecht zu (vgl. Thüringer LSG, Beschl. v. 02.07.2003 - L 6 SF 270/03; Beschl. v. 08.07.1999 - L 6 B 32/99 RJ = E - LSG B - 141; Hessisches LSG Beschl. v. 16.11.1998 - L 2 B 43/98 RJ = Breithaupt 1999, 997, 998; OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.04.1995 - 11 WF 193/95 = Rpfleger 1995, 465; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a Rn 12d; Geimer a.a.O. § 127 Rn 24; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 127 Rn 7; a.A. OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 1326, 1327). Zwar regelt § 127 Abs. 3 ZPO ausdrücklich nur das Beschwerderecht der Staatskasse gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen. Da mit der Einführung dieser Bestimmung der Gesetzgeber aber sicherstellen wollte, dass die entsprechenden Haushaltsmittel nur zu Gunsten der wirklich bedürftigen Rechtssuchenden eingesetzt werden sollen (BT-Drucks. 10/3054 S. 50; 10/6400 S. 63), ist kein Grund ersichtlich, das Beschwerderecht nicht auch auf die nachträgliche Überprüfung der Bedürftigkeit zu erstrecken.
Schließlich ist die Beschwerde nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG unstatthaft, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist nämlich nicht die Ablehnung der Prozesskostenhilfe in diesem Sinne, sondern die Einleitung des Überprüfungsverfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO, welches auch mit der nachträglichen Aufhebung der Prozesskostenhilfe enden kann (§ 124 Nr. 2 ZPO).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des SG weder daraus, dass dem Beschwerdeführer kein Antragsrecht zusteht, noch aus dem Umstand, dass die ursprüngliche Prozesskostenhilfebewilligung ratenfrei erfolgt ist. Auch letztere Entscheidung stellt eine solche über die zu leistenden Zahlungen - nämlich dergestalt, dass null Zahlungen zu erbringen sind - im Sinne des § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO dar (bis auf die Gegenmeinung einzelner Kammern des SG Gelsenkirchen wohl einhellige Meinung, vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG Beschl. v. 12.11.2008 - L 5 B 209/08 KR PKH = www.juris.de Rn 10; Geimer a.a.O., § 120 Rn 20; Musielak ZPO, 7. Aufl., § 120 V Rn 1 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die Staatskasse hat auch das Recht, die Einleitung des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO bei Gericht zu beantragen (ebenfalls h.M., vgl. Thüringer LSG Beschl. v. 02.07.2003 - L 6 SF 270/03 = www.juris.de Rn 7; OLG Nürnberg a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 120 Rn 23; Kalthoehner/Büttne...