Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für einen Unionsbürger, der eine Beschäftigungssuche nicht glaubhaft machen kann
Orientierungssatz
1. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ist bei Ausländern, bei denen eine Arbeitsuche nicht festgestellt werden kann, nicht europarechtswidrig.
2. Kann der Unionsbürger eine Beschäftigungssuche mit dadurch begründeter Verbindung zum Arbeitsmarkt nicht glaubhaft machen, so besteht auch kein Anspruch auf eine vorläufige Gewährung von Leistungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2 i. V. m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 SGB 3.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.02.2015 werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgelehnt.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im o.g. Sinne im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann dahin stehen, ob sie hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist, weil ein möglicher Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Regelung findet auf die Antragstellerin Anwendung. Denn ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitsuche ist nicht ersichtlich.
Die am 00.00.1965 geborene Antragstellerin ist italienische Staatsbürgerin. Nach eigenen Angaben reiste sie gemeinsam mit ihrer am 00.00.1995 geborenen Tochter N und ihrem am 00.00.1997 geborenen Sohn F im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein. Seither lebt sie mit diesen in einer gemeinsamen Wohnung in P. Die Kinder der Antragstellerin sind jeweils geringfügig beschäftigt und beziehen seitens des Antragsgegners Arbeitslosengeld II gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Antragstellerin übt seit Juni 2012 keine Erwerbstätigkeit aus.
Die Antragstellerin ist damit weder als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) in der bis zum 08.12.2014 geltenden Fassung bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU in der ab dem 09.12.2014 geltenden Fassung noch als Selbständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Sie ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätige nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU in Verbindung mit § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihr - unabhängig vom Vorliegen eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes - bereits an ausreichenden Existenzmitteln im Sinne der Norm fehlt.
Auch auf eine Freizügigkeitsberechtigung auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU in Verbindung mit § 3 Abs. 2 FreizügG/EU kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Familienangehörige sind gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind sowie gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU die Verwandten in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren. Da die Antragstellerin nicht Verwandte ihrer Kinder in absteigender, sondern in aufsteigender Linie ist, scheidet zunächst eine Freizügigkeitsberechtigu...