Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren bei Auferlegung der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse
Orientierungssatz
1. Hat ein nach § 109 SGG eingeholtes Gutachten maßgeblich zur Sachaufklärung beigetragen, so sind dessen Kosten auf die Landeskasse zu übernehmen.
2. Ist durch entsprechenden Beschluss des Beschwerdegerichts der entgegenstehende erstinstanzliche Beschluss aufgehoben worden, so trägt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG die Landeskasse auch die dem Kläger im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.12.2010 geändert. Die Kosten für das nach § 109 Sozialgerichtsgesetz von Dr. E eingeholte Gutachten vom 31.05.2010 werden auf die Landeskasse übernommen.
Die Landeskasse trägt auch die dem Kläger im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Gründe
Der Senat entscheidet über die Beschwerde, ohne eine Stellungnahme des Bezirksrevisors einzuholen. Dieser ist im Beschwerdeverfahren nicht zu beteiligen; denn ihm steht ein eigenes Beschwerderecht nicht zu (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006, L 1 U 3854/06in Juris Rn14 ff, Rn 19f.).
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Kosten für die Einholung des Gutachtens von Dr. E trägt die Landeskasse. Entsprechend ist der angefochtene Beschluss zu ändern. Das Gutachten des Dr. E hat maßgeblich zur Sachaufklärung beigetragen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte sich aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen veranlasst gesehen hat, die Pflegestufe I anzuerkennen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 23.06.2010). Dieses im Berufungsverfahren aufrecht erhaltene Teilanerkenntnis hat der Kläger schließlich doch noch angenommen. Insoweit hat das Gutachten des Dr. E zur Erledigung des Rechtstreits geführt (vgl für eine solche Fallkonstellation, Keller in: Meyer/Ladewig, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, Rn 16a zu § 109).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Entgegen seiner früheren Rechtssprechung vor Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) hält der Senat eine gesonderte Kostenentscheidung für notwendig (LSG NRW Beschluss vom 14.12.2007, L 4 B 6/07 U; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 15.09.2005, L 2 B 40/04 RI in AnwBl 2006 S 146 f.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.11.2006, L 6 B 221/06 SB in Juris Rn 2), denn für das Beschwerdeverfahren fallen für den Kläger zusätzliche außergerichtliche Kosten an (§ 3 RVG, § 18 Nr 3 RVG iVm Nr 3501 der Anlage 1 zum RVG - Betragsrahmengebühr 15,- bis 160,- Euro -). Das Beschwerdeverfahren ist eine besondere Angelegenheit iSd § 18 Abs 5 RVG und nicht Teil des erstinstanzlichen Rechtszuges, denn in diesem sind die Beteiligten nicht identisch mit denen des Hauptsacheverfahrens. Das RVG selbst regelt grundsätzlich nicht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Auftraggeber von einem Prozessgegner eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten beanspruchen kann (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.02.2007, L 4 B 246/06 R, in Juris Rn 14); dies beurteilt sich im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem im Hinblick auf die Einführung des RVG allerdings unvollständigen §193 SGG. Der Senat hält eine eigenständige Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren, in dem anders als im kontradiktorischen Kostenfestsetzungsverfahren (so LSG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 12.02.2007, in Juris Rn 2) nicht über die Erstattungsansprüche zwischen den Beteiligten entschieden wird, entsprechend § 193 SGG für erforderlich. Die Beklagte kommt insoweit als Kostenschuldner nicht in Betracht, denn sie hat die gesondert anfallenden Kosten nicht veranlasst. Beteiligter des Kostenverfahrens ist, wie auch in Beschwerden gegen verhängte Ordnungsmittel bei Zeugen und Sachverständigen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2009, L 10 U 2682/09 B, in Juris Rn 4; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.11.2011, L 11 SB 237/10 B) allein der Kläger. Hat seine Beschwerde wie hier Erfolg, wäre es unangemessen, wenn er die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst tragen müsste (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.09.2005, L 2 B 40/04 RJ aaO, S 147).
Die Kosten für das Betreiben des Beschwerdeverfahrens trägt entsprechend § 193 SGG die Landeskasse. Diese ist zwar weder formal im Hauptsacheverfahren noch formal im Nebenverfahren beteiligt. Da es in dem Nebenverfahren aber darum geht, wer die Kosten der Begutachtung nach § 109 Abs 1 SGG endgültig trägt - der Kläger oder die Landeskasse - ist es sachgerecht, die mit der erfolgreichen Beschwerde des Klägers anfallenden zusätzlichen außergerichtlichen Kosten auch der Landeskasse aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung für eine erfolgreiche Beschwerde knüpft insoweit an die Kostenentscheidung nach § 109 Abs 1 Satz 2 SGG an (zweifache Kostenentscheidung).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an...