Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Beitragsbescheid

 

Orientierungssatz

1. Bei Beitragsbescheiden verlagert § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Adressaten. Deshalb können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.

2. Hat der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB 6 nicht ordnungsgemäß erfüllt und kann infolgedessen der Rentenversicherungsträger ohne unverhältnismäßigen Aufwand die tatsächlich gezahlten Entgelte nicht ermitteln, so liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides vor.

3. Allein die mit der Zahlung einer Beitragsforderung für den Arbeitgeber verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zur Annahme einer unbilligen Härte, weil sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Eine beachtliche Härte in diesem Sinn ist nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als derzeit.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.7.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.712,78 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 8.6.2011 gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 17.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.5.2011, mit dem er auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen eines Summenbescheides i.H.v. 44.457,63 Euro zuzüglich Säumniszuschlägen i.H.v. 14.393,50 Euro in Anspruch genommen wird.

Der Antragsteller betreibt seit März 2006 in L das Restaurant G. Seit der Öffnung bis einschließlich August 2009 meldete er lediglich für die Zeit vom 1.6. bis zum 30.6.2006 einen geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer zur Sozialversicherung an.

Am 7.10.2006 führte das Hauptzollamt L in den Räumlichkeiten des Restaurants G eine Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz durch und traf dort die Zeugen L L und J E arbeitend an. Beide gaben zunächst an, erst seit dem 6.10.2006 tätig zu sein. Zum Entgelt machten sie keine Angaben. Erst auf einen Vorhalt hin räumte der angetroffene Zeuge E ein, bereits seit dem 1.8.2006 im Restaurant zu arbeiten. Bei im Juni 2009 durchgeführten Durchsuchungen der Geschäfts- sowie der Privaträume des Antragstellers wurden u.a. handschriftliche Notizen gefunden, auf denen Entgeltbeträge entweder einem Namen oder einer Tätigkeit (z.B. Bar, Kapi [türkisch für Tür] oder Kellner/Garson) zugeordnet waren. Nicht alle vorgefundenen Aufzeichnungen waren datiert. Weiterhin wurden Wochenübersichten in Tabellenform sichergestellt, bei denen auch Namen oder Namenskürzel Beträgen zugeordnet waren. Die sichergestellten Unterlagen wiesen nur einen geringen Systematisierungsgrad auf.

Auf dieser Grundlage erließ die Antragsgegnerin nach Anhörung des Antragstellers mit Datum vom 17.12.2010 einen Beitragsnachforderungsbescheid für den Prüfzeitraum vom 10.3.2006 bis zum 31.8.2009 und machte darin eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 44.457,63 Euro sowie Säumniszuschläge i.H.v. 14.393,50 Euro geltend. Aus den sichergestellten Unterlagen ergebe sich, dass der Antragsteller Arbeitnehmer gegen Entgelt ohne entsprechende Meldung zur Sozialversicherung beschäftigt habe. Es seien Belege vorhanden, auf denen der Name von Arbeitnehmern (Vorname), ihre Tätigkeit und das Entgelt festgehalten worden seien. Insgesamt hätten sich Angaben zu 16 verschiedenen Personen gefunden, an die Arbeitsentgelt ohne eine Meldung zur Sozialversicherung entrichtet worden sei.

Die Nacherhebung und Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgte im Rahmen eines Summenbescheides zum Einen auf Grundlage der vorgefundenen Belege, wobei die einzelnen Arbeitnehmer nicht konkret identifiziert wurden. Soweit anderen Monaten keine konkreten Lohnzahlungen zugeordnet werden konnten, basiert die Nacherhebung auf einer Schätzung der für das Betreiben des Restaurants nötigen Arbeitsstunden. Hierbei ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass das Restaurant im Monat im Durchschnitt 216,67 Stunden geöffnet hat und die Küche durchschnittlich im Monat 147,33 Stunden betrieben wird. Die Antragsgegnerin hat sodann weiter angenommen, dass das Restaurant durchschnittlich von 3 tätigen Personen (Kellner, Barmann, Koch) zu betreiben ist, wobei sie diesen jeweils einen Stundenbruttoverdienst von 7,12 EUR (ab April 2007 von 7,22 EUR und ab März 2008 von 7,44EUR) zugeordnet hat. Die Öffnungszeiten ermittelte sie anhand der Angaben auf der Speis...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge