Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraftwirkung eines Beschlusses im einstweiligen Anordnungsverfahren
Orientierungssatz
1. Die Rechtskraftwirkung der Ablehnung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz durch einen Gerichtsbeschluss steht grundsätzlich einem erneuten Eilantrag entgegen.
2. Nur wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, welche eine andere Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtfertigen, ist ein wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig.
3. Ein an die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu Leistungen des SGB 2 gerichteter Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig ergangen, wenn er nicht hinreichend differenziert, welche Leistungsansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in welchem Umfang aufgehoben worden sind.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.08.2007 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Bescheide vom 16.05., 22.05. und 20.06.2007, sämtliche in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2007, wird angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q ab dem 25.07.2007 bewilligt. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2007 in Höhe von monatlich 248,43 Euro. Mit Bescheid vom 21.03.2007 setzte sie diese Leistungen auf 179,94 Euro herab. Mit Beschluss vom 03.05.2007 ordnete das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid vom 21.03.2007 an, lehnte aber die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung höherer Leistungen an die Antragstellerin ab.
Mit Bescheiden vom 16.05., 22.05. und 20.06.2007 sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2007 setzte die Antragstellerin die der Bedarfsgemeinschaft bewilligten Leistungen erneut u.a. wegen veränderter Einkommensverhältnisse für den Monat Juli 2007 auf 94,27 Euro und den August 2007 auf 50,66 Euro herab.
Das hierauf erneut zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - mit der Begründung, es bestehe zwischen der Antragstellerin und ihrer Mutter keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II -, angerufene SG Gelsenkirchen hat den Antrag mit Beschluss vom 23.08.2007 abgelehnt, weil dem Antrag teilweise die Rechtskraft des Beschlusses vom 03.05.2007 entgegenstehe und die Antragstellerin im Hinblick auf die Herabsetzung der Leistungen eine unzulässige Regelungsanordnung statt der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt habe.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG ebenfalls abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig und teilweise begründet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung höherer Leistungen im Zeitraum Juli/August 2007. Der vor dem SG gestellte Antrag bezog sich nur auf die diesen Zeitraum regelnden Bescheide. Das Begehren auf höhere Leistungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch kann daher nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass über diesen Leistungszeitraum eine vorläufige Entscheidung ergehen sollte. Diese Auslegung des Antrags wird auch dadurch bestätigt, dass die Antragstellerin bezüglich ihrer Ansprüche für die Folgezeit keinerlei Angaben gemacht hat, obwohl die Antragsgegnerin insoweit mehrere Bescheide bezüglich des Zeitraums 01.09.2007 bis 28.02.2008 erlassen hat. Daher fehlte es insoweit auch an der für den Erlass einer Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes. Soweit die Antragstellerin für die Monate Juli und August 2008 höhere Leistungen als durch den Bescheid vom 07.02.2007 zuerkannt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangt, hat das SG zu Recht erkannt, dass diesem Begehren die Rechtskraft des Beschlusses vom 03.05.2007 entgegensteht.
Beschlüsse, die im einstweiligen Anordnungsverfahren ergehen, erwachsen, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in materielle Rechtskraft (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 86 b Rn. 45; Beschl. d. Senats v. 23.07.2007 - L 19 B 85/07 AS ER - m.w. N.). Auch im Beschwerdeverfahren besteht ein Bedürfnis, durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegenzuwirken, die Belastung der Gerichte zu vermeiden sowie der Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (BFH NVwZ 93, 607,...