Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsberechtigter. Hilfebedürftigkeit. vorrangiger Anspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Hilfe für junge Volljährige. intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Leistungen zum Unterhalt. nicht bei ambulanter Hilfe

 

Orientierungssatz

1. Dem Grundsicherungsträger ist es verwehrt, Leistungen im Hinblick auf anderweitige Sozialleistungen, die aber nicht zufließen, zu verweigern. Ist er der Meinung, dass ein Antragsteller einen anderweitigen Anspruch auf Sozialleistungen hat, hat er ihn aufzufordern, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Stellt der Betroffene einen erforderlichen Antrag trotz Aufforderung nicht, kann der Grundsicherungsträger ihn selbst stellen. Nach Bewilligung der anderen Leistung kann er einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff SGB 10 geltend machen.

2. Ein Anspruch auf Leistungen zum Unterhalt iS des § 39 Abs 1 S 1 SGB 8 besteht nur dann, wenn der Betroffene in Anwendung jugendhilferechtlicher Vorschriften außerhalb des Elternhauses untergebracht ist. Er ist ausgeschlossen, wenn durch den Jugendhilfeträger nur ambulante Hilfen erbracht werden.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen seine einstweilige Verpflichtung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den Antragsteller. Er hält die Beigeladene für leistungspflichtig.

Der am 00.00.1996 geborene Antragsteller zog aufgrund von Konflikten mit seinen Eltern am 18.05.2014 aus dem elterlichen Haushalt aus und wohnt im Elternhaus eines Freundes. Er besucht ein Berufskolleg und erhält mit Ausnahme des an ihn weitergeleiteten Kindergeldes keine finanziellen Zuwendungen.

Am 20.05.2014 sprach der Antragsteller beim Tagesdienst des Jugendamts der Beigeladenen vor. Er berichtete von "Stress zuhause und in der Schule" und äußerte den Wunsch, "eine Therapie" machen zu wollen. Dem Antragsteller wurden Kontaktdaten mitgeteilt, hinsichtlich des Wunsches nach schulischer Begleitung und Hilfe zum selbständigen Wohnen wurde der Vorgang an das zuständige Sozialraumteam weitergeleitet.

Am 23.05.2014 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Am 26.06.2014 beantragte der Antragsteller bei der Beigeladenen "Hilfe nach dem SGB VIII". Mit Bescheid vom 09.07.2014 bewilligte der Beigeladene dem Antragsteller gem. §§ 41, 35 SGB VIII für die Zeit vom 07.07.2014 bis auf Weiteres Leistungen der Jugendhilfe "in Form von Hilfe für junge Volljährige in Verbindung mit intensiver sozialpädagogischer Einzelfallhilfe".

Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 17.07.2014 mit, dass er nicht beabsichtige, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erbringen, weil der Beigeladene als Kostenträger auch für Unterhaltsleistungen angesehen werde. Daraufhin informierte die sozialpädagogische Einrichtung, die die Betreuung im Auftrag der Beigeladenen durchführt (Fa. M gGmbH), dass es sich bei der Hilfe weder um eine stationäre Betreuung handelt, noch eine 24-Stunden Erreichbarkeit eines Betreuers sichergestellt sei. Mit Schreiben vom 24.07.2014 informierte die Beigeladene den Antragsteller, dass die Kosten des Lebensunterhalts von ihr nicht sichergestellt werden.

Mit (zwei) Bescheiden vom 21.07.2014 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Abdeckung des Regelbedarfs für die Zeit vom 18.05.2014 bis zum 06.07.2014. Für die anschließende Zeit lehnte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab, da der Antragsteller im Hinblick auf vorrangige Leistungen nach dem SGB VIII nicht hilfebedürftig sei.

Am 24.07.2014 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen. Er erhalte nur das Kindergeld von seinen Eltern und sei im Übrigen mittellos.

Der Antragsgegner hat gemeint, der Antragsteller sei nicht mittellos, weil er einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen gegen die Beigeladene habe. Gem. § 39 SGB VIII sei bei der Erbringung von intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung auch der notwendige Unterhalt im Wege der Jugendhilfe sicherzustellen. Dieser Anspruch verdränge Ansprüche nach dem SGB II.

Die Beigeladene hat gemeint, aus der Gesamtschau der in § 39 SGB VIII genannten Hilfen ergebe sich, dass der notwendige Unterhalt im Rahmen der Jugendhilfe nur sicherzustellen sei, wenn die Hilfe in voll- oder teilstationärer Form erbracht werde.

Mit Beschluss vom 03.09.2014 hat das Sozialgericht Köln den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller den Regelbedarf nach § 20 Abs. 3 SGB II unter Anrechnung des Kindergeldes ab dem 24.07.2014 bis zum Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsa...

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