Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Interessenabwägung. summarische Prüfung der Erfolgsaussicht
Orientierungssatz
1. Die Beendigung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens durch ablehnenden gerichtlichen Beschluss schließt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht aus. Sie kommt auch dann in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen. Voraussetzung ist, dass der PKH-Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens iS der Bewilligung entscheidungsreif gewesen ist (vgl BVerfG 14.4.2010 - 1 BvR 362/10).
2. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers und dem Vollstreckungsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. In der Fallgestaltung des § 39 Nr 1 SGB 2 hat der Gesetzgeber ein Regel-Ausnahmeverhältnis angeordnet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss in diesen Fällen eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein. Ist der angefochtene Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig und ist für dessen exakte Prüfung ein längerer Zeitraum erforderlich, so ist die Gewährung von einstweiligem Rechtschutz zu versagen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1) wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 22.11.2017 geändert. Ihr wird für den Rechtsstreit S 5 AS 666/17 ER Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin I, N, beigeordnet.
Die Beschwerde der Antragsteller zu 2) bis 5) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das abgeschlossene erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragstellerin zu 2) wohnt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren 5 Kindern, der Antragstellerin zu 1) und den Antragstellern zu 3) bis zu 6), zusammen. Der Ehemann der Antragstellerin zu 2) ist wegen des Bezugs einer Altersrente vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Am 29.08.2017 beantragte die Antragstellerin zu 2) für die Antragsteller die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Mit Bescheid vom 07.09.2017 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 30.09.2018 i.H.v. von 1.701,98 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 17.10.2017 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 28.02.2018 i.H.v. 1.509,98 EUR monatlich. Die Antragstellerin zu 1) übte eine geringfügige Beschäftigung gegen ein Entgelt i.H.v. 100,00 EUR monatlich aus. Die Antragstellerin zu 2) bezog für die Antragstellerin zu 1) ab Oktober 2017 Kindergeld i.H.v. 192,00 EUR monatlich.
Am 17.10.2017 ging beim Antragsgegner ein von der am 08.04.1998 geborenen Antragstellerin zu 1) geschlossener Arbeitsvertrag ein. Danach wurde die Antragstellerin zu 1) für die Zeit vom 17.11.2017 bis 12.01.2019 bei der Firma Q & Co. KG eingestellt. Nach § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages sollten alle Gehaltszahlungen bargeldlos zum jeweiligen Monatsende erfolgen. In dem Arbeitsvertrag war eine Monatsvergütung in Höhe von derzeit 975,17 EUR brutto angegeben.
Mit Bescheid vom 23.10.2017, adressiert an die Antragstellerin zu 2), hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 07.09.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.10.2017 über die Bewilligung von Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.11.2017 für die Antragstellerin zu 2) und ihre Kinder auf. In dem Bescheid heißt es u. a.:
"Aufgrund der geänderten Verhältnisse haben Sie nur noch einen aufstockenden Anspruch auf Leistungen nach den SGB II und die Bewilligung war aufzuheben. Die Leistungen werden nahtlos vorläufig weiter bewilligt. Hierüber erhalten Sie einen gesonderten Bescheid.
Für die Zeit bis zum ersten Lohnzufluss können Sie schriftlich ein Überbrückungsdarlehen beantragen. Sollte der Lohn nicht wie angenommen im November zufließen, werden die Leistungen als Beihilfe gewährt."
Mit weiterem Bescheid vom 23.10.2017 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 2) bis zu 6) unter Berufung auf § 41a SGB II vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.11.2017 bis zum 30.04.2018, für den Monat November 2017 i.H.v. von 1.207,98 EUR sowie für die Zeit vom 01.12.2017 bis 30.04.2018 i.H.v. 1.065,94 EUR monatlich. Der Bescheid war an die Antragstellerin zu 2) adressiert. Bei der Bedarfsberechnung ging der Antragsgegner davon aus, dass der Bedarf der Antragstellerin zu 1) für den Monat November 2017 i.H.v. 444,04 EUR sei durch ihr (geschätztes) Einkommen aus abhängiger Beschäftigung 302, 00 EUR (500 EUR - 100 EUR - 98 EUR) und Kindergeld i.H.v. 192,00 EUR vollständig gedeckt sei. Das überschießende Kindergeld i.H.v. 49,96 EUR rechnete der Antrags...