Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilrechtsschutz für die Auszahlung eines Honorarabschlags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragsarztes
Orientierungssatz
1. Der Honorarbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wird in der Regel bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden vierten Monats erlassen. Bis zum Zeitpunkt der Prüfung der Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit bleiben Zahlungen der KV aufrechnungsfähige und rückzahlungspflichtige Vorschüsse. Auf das Vierteljahreshonorar kann der Vertragsarzt Zahlung von Abschlagszahlungen verlangen.
2. Ein Insolvenzgläubiger kann seine Forderung gegen den Vertragsarzt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts verfolgen. Hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Vertragsarztes aus selbständiger Tätigkeit freigegeben, so ist es aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verfügungsbefugnis des Vertragsarztes zurückgelangt.
3. Der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor Dienstleistung entsteht, gilt auch für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegen die KV. Wurde die vom Vertragsarzt erbrachte, für die Abschlagszahlung maßgebliche Dienstleistung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, so ist der Anspruch gegen die KV erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden.
4. Eine echte Freigabe des nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Vermögens durch den Insolvenzverwalter muss einen endgültigen Verzicht des Insolvenzverwalters zum Gegenstand haben und dies unmissverständlich ausdrücken. Dann ist das vom Vertragsarzt neu erworbene Vermögen dauerhaft aus der Insolvenzmasse gelöst.
5. Zweck des § 35 Abs. 2 InsO ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu eröffnen, eine für die Masse verlustbringende Betriebsfortführung an den Schuldner freizugeben. Den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind, bezweckt die Regelung nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2011 abgeändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 551,67 festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung des Honorarabschlags für das Quartal I/2011.
Über das Vermögen des als Facharzt für Hals- Nasen- Ohrenheilkunde in L niedergelassenen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Antragstellers hat das Amtsgericht L mit Beschluss vom 01.01.2005 - 72 IN 415/04 - das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ist ebenso wie das Verfahren über die beantragte Restschuldbefreiung noch nicht beendet. Mit Wirkung zum 01.01.2011 hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Arzt aus der Insolvenzmasse freigegeben und dies der Antragsgegnerin am 06.01.2011 mitgeteilt. Die hierauf vom Antragsteller begehrte Abschlagszahlung lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf ihr vorliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11.03.2003 und 23.04.2003 sowie auf eine Abtretung der Honoraransprüche an die Deutsche Bank AG vom 13.12.2001 ab.
Der Antragsteller hat daraufhin bei dem Sozialgericht (SG) Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, die Abschlagszahlungen an ihn zu leisten. Das SG Köln hat das Verfahren an das SG Düsseldorf verwiesen (Beschluss vom 07.02.2011).
Der Antragsteller hat geltend gemacht, die Abschlagszahlungen seien nach der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter an ihn zu leisten, da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig seien. Auch die Abtretung zugunsten der Deutschen Bank könne ihm nicht entgegengehalten werden, da Rechte an der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden könnten. Ohne Erlass der einstweiligen Anordnung sei er nicht in der Lage, den ärztlichen Praxisbetrieb im Hinblick auf die laufenden monatlichen Kosten aufrechtzuerhalten.
Der Antragsteller hat beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, ihm Abschlagszahlungen in Höhe von mindestens 20 % des anerkannten Gesamthonorars abzüglich der Bareinnahmen an Praxisgebühr der letzten durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung für den Zeitraum I/2011 zu leisten.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen: Sie sei verpflichtet sicherzustellen, dass Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung erfolgten und nicht ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ein zweites Mal an den tatsächlich Berechtigten ausgezahlt werden müssten. Da die Deutsche Bank ebenfalls die Honorarzahlungen beanspruche, sei fraglich, ob die Rechte aus der Sicherungszession nach der Freigabe wieder auflebten. Zudem müsse Gewissheit bestehen, dass auc...