Entscheidungsstichwort (Thema)

Lieferanspruch des Versicherten bei Hilfsmittelversorgung der Krankenkasse durch Ausschreibung

 

Orientierungssatz

1. Hat eine Krankenkasse mit Leistungserbringern Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB 5 über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, so erfolgt die Versorgung der Versicherten durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Ausnahmsweise können Versicherte einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen.

2. Allein aus dem Wortlaut des § 126 Abs. 2 SGB 5 ergibt sich keine Einschränkung der am Stichtag 31. 3. 2007 zugelassenen Leistungserbringer, bis zum Ablauf der Übergangsfrist weiterhin an der Versorgung der Versicherten beteiligt zu sein.

3. § 12 Abs. 2 SGB 5 garantiert auch in der Umstellungsphase von Zulassung auf Vertrag eine uneingeschränkte Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch geeignete Leistungserbringer. Diese müssen sich während der Übergangszeit nicht um den Abschluss neuer Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB 5 bemühen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.05.2008 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin berechtigt ist, die Versicherten der Antragsgegnerin weiterhin bis zum 31.12.2008 mit TENS- und EMS Geräten zu beliefern.

Zwischen der zur Leistungserbringung im Bereich von Elektrostimulationsgeräten zugelassenen Antragstellerin und der Antragsgegnerin bestand ein Rahmenvertrag zur Lieferung von TENS- und EMS-Geräten. Diesen Rahmenvertrag kündigte die Antragsgegnerin unter dem 26.09.2006 zum 31.12.2006. Die Antragsgegnerin setzte die Antragstellerin ferner darüber in Kenntnis, dass ab 01.01.2007 sämtliche Verordnungen für TENS- und EMS-Geräte auf einem internetgestützten Marktplatz ausgeschrieben werden (Schreiben vom 06.12.2006). Die Antragstellerin wandte sich zunächst nicht gegen die Kündigung des Rahmenvertrages.

Für die Zeit ab 01.01.2008 führte die Antragsgegnerin ein förmliches Vergabeverfahren für TENS- und EMS-Geräte durch. Die Ausschreibung sah die Belieferung bis zum 31.12.2008 mit einer einmaligen Verlängerungsoption um weitere 12 Monate vor. Den Zuschlag erhielt ein Mitbewerber der Antragstellerin. Die Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom 02.04.2008 an die Antragsgegnerin und teilte unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Sozialgerichts (SG) Frankfurt/Oder und des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg mit, dass nach § 126 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I 2007, S. 378 - (SGB V n.F.)) Leistungserbringer mit bestehender Zulassung bis zum 31.12.2008 lieferberechtigt seien. Vor diesem Hintergrund werde sie - die Antragstellerin - ab sofort wieder die Versorgung der Versicherten aufnehmen. Mit Schreiben vom 17.04.2008 vertrat die Antragsgegnerin die Auffassung, dass sich aus § 126 Abs. 2 SGB V n.F. jedenfalls dann kein Lieferanspruch ergebe, wenn eine Krankenkasse ihre Hilfsmittelversorgung mittels Ausschreibung vergeben habe.

Auf den am 29.04.2008 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG festgestellt, dass die Antragstellerin bis zum 31.12.2008 berechtigt sei, die bei der Antragsgegnerin gesetzlich versicherten Patienten mit Hilfsmitteln zur Elektrostimulation der Muskulatur (TNS-Geräte) zu versorgen. Es hat maßgeblich auf die Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. abgestellt (Beschluss vom 26.05.2008). Hiergegen wendet sich die am 09.06.2008 erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin, die daran festhält, dass für die Anwendung der Übergangsregelung des § 126 Abs. 2 SGB V n.F. nach erteiltem Zuschlag kein Raum verbleibe.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn sie ist nicht berechtigt, Versicherte der Antragsgegnerin bis zum 31.12.2008 mit TENS- und EMS-Geräten zu beliefern. Angesichts dessen war der angefochtene Beschluss des SG Düsseldorf zu ändern und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableit...

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