Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Feststellung des Hilfebedarfs. Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Anordnungsverfahren nach Versagen der Grundsicherungsleistung wegen fehlender Mitwirkung an der Feststellung der Hilfebedürftigkeit

 

Orientierungssatz

1. Für eine einstweilige Anordnung zur Durchsetzung eines Anspruchs auf vorläufige Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Ablehnung eines Antrags fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht hinreichend nachgekommen ist.

2. Einzelfall zur Beurteilung des Hilfebedarfs (hier: Hilfebedarf wegen anderweitiger Sicherung des Lebensunterhalts über Verwandtendarlehen verneint).

 

Tenor

Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.07.2018 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Streitig sind im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die am 00.00.1987 geborene Antragstellerin, eine promovierte Physikerin, besitzt die polnische Staatsbürgerschaft. Nach eigenen Angaben hält sie sich seit dem 15.01.2013 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland auf. Am 08.01.2018 beantragte sie persönlich, vorab schon per Post, Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II mit Wirkung ab Vollendung eines fünfjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland, also ab dem 16.01.2018. Mit Schreiben vom 08.01.2018 und 29.01.2018 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Reihe konkret beschriebener Mitwirkungshandlungen mit Fristsetzung bis zum 22.01.2018 bzw. 12.02.2018 und Belehrung über die Folgen unzureichender oder fehlender Mitwirkung auf. Da eine Reihe von Unterlagen nicht eingereicht wurde, versagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 08.02.2018 Leistungen vollständig, der auf den Widerspruch der Antragstellerin - da er vor Fristablauf erteilt worden war - zurückgenommen wurde. Mit weiterem Bescheid vom 23.03.2018 erfolgte erneut eine vollständige Versagung. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2018 als unbegründet zurück. Unter dem Az. S 35 AS 1831/18 ist bei dem Sozialgericht Düsseldorf ein Hauptsacheverfahren anhängig, gerichtet auf Aufhebung des angefochtenen Versagungsbescheides sowie auf Gewährung von Leistungen ab dem 16.01.2018.

Am 11.06.2018 hat die Antragstellerin parallel dazu beantragt, ihr im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Es bestehe im Hinblick auf ihren fünfjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland kein Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b, Satz 4 Halbsatz 1 SGB II. Insoweit hat sie eine Bescheinigung des Ausländeramtes der Stadt E vom 14.06.2018 über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) vorgelegt. Es lägen aber auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor, insbesondere Hilfebedürftigkeit, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II. Bis Mitte Mai 2017 habe sie über Einnahmen aus einem Stipendium in Höhe von 1.365,00 EUR monatlich verfügt, habe seitdem von ihren Ersparnissen und darlehnsweisen Unterstützungsleistungen durch ihren Bruder bzw. einer Zuwendung ihrer Mutter in Höhe von 2.000,00 EUR am 05.10.2017 im Zusammenhang mit dem erfolgreichen Abschluss der Promotion gelebt. Infolge der Erbschaft nach ihrem Vater bestehe lastenfreies Eigentum an zwei Immobilien in Polen zu je einem Sechstel in Form eines von ihrer Mutter bewohnten Einfamilienhauses (Wohnfläche 240 qm) und einer von ihrer Großmutter bewohnten Eigentumswohnung (Wohnfläche 38 qm) mit einem geschätzten Gesamtwert von 210.000,00 EUR, an denen Nießbrauchrechte nicht bestünden. Das Vermögen sei jedoch nicht verwertbar. Sowohl ihr Bruder K L, Dipl.-Oekonom, tätig als Dolmetscher/Übersetzer in Deutschland, der ebenfalls zu einem Sechstel Eigentümer der Grundstücke sei, als auch ihre Mutter, der vier Sechstel zustünden, widersetzten sich einer Verwertung; eine Beleihung durch Dritte komme ebenfalls bei einer Auslandsimmobilie, über die nicht einmal aktuelle Unterlagen existierten, nicht in Betracht.

Mit Beschluss vom 09.07.2018 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund seien ersichtlich. Die Antragstellerin habe bereits nicht ausreichend zu ihrer behaupteten Hilfebedürftigkeit vorgetragen, geschweige denn, diese glaubh...

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