Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis eines erlittenen Gesundheitserstschadens als Voraussetzung der Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall

 

Orientierungssatz

1. Die Anerkennung eines geltendgemachten Unfallereignisses als Arbeitsunfall setzt nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB 7 u. a. voraus, dass der Antragsteller einen Gesundheitsschaden erlitten hat.

2. Hierzu ist der Nachweis eines aus dem Unfallereignis folgenden Gesundheitsschadens erforderlich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne objektivierbare Gesundheitserstschäden und ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind ebenso bedeutungslos wie bloße Schmerzen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.01.2021; Aktenzeichen B 2 U 226/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.07.2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 16./17.06.2003 als Arbeitsunfall sowie die Zahlung von Verletztenrente.

Der im Jahr 1966 in U (ehemalige UdSSR) geborene und im Jahr 2002 in die Bundesrepublik umgesiedelte Kläger zeigte mit Schreiben vom 25.06.2012 bei der Beklagten einen Versicherungsfall an. Ab 05.06.2003 sei er vom Sozialamt C und von der Firma U1 GmbH F im Rahmen der Beratung "Hilfe zur Arbeit - Projekt 2000" der AWO-Werkstatt in L beigeordnet worden, wo er bei schweren Umzügen habe mithelfen müssen. Aufgrund dessen habe sich bei ihm ca. am 16./17.06.2003 das Krankheitsbild eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 mit Arbeitsunfähigkeiten bis Juni 2004 und späteren Störungen im Juni/Juli 2009 ergeben. Er leide auch weiterhin unter Störungen aufgrund dieses Krankheitsbildes. Seiner Anzeige fügte der Kläger eine Praktikumsbescheinigung des AWO Kreisverbandes F, Nebenstelle L (Praktikum vom 05.06.2003 bis 30.06.2003 mit Krankschreibung vom 23.06.2003 bis 30.06.2003), Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (ab 23.06.2003), ein Attest des Orthopäden Dr. L1 vom 16.02.2004 (rezidivierendes orthopädisches Krankheitsbild, Bandscheibenvorfall L5/S1) sowie dessen Arztbrief vom 12.07.2004 bei, wonach ihm der Kläger seit 7/02 bekannt sei, seinerzeit habe eine Lumboischialgie links vorgelegen. Computertomographisch zeige sich ein älterer, bereits calcifizierter NPP L5/S1 rechts betont. Zwischenzeitlich sei der Kläger vom Sozialamt bei Umzügen eingesetzt, hierdurch habe sich eine deutliche Befundverschlechterung ergeben. Außerdem fügte der Kläger eine Heilmittelverordnung (Krankengymnastik) des Orthopäden Dr. T vom 15.06.2009 bei.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 11.07.2012 ab. Es handele sich bei dem angegebenen Ereignis nicht um einen Arbeitsunfall nach dem SGB VII, da ein solcher im Zeitraum einer Arbeitsschicht auftreten müsse. Die Tätigkeit der Umzüge übersteige diesen Zeitraum.

Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 30.07.2012 mit, dass der genannte Versicherungsfall beim Verwaltungsgericht (VG) B(Az.: 0 K 00/04) ermittelt werde. Dem Schreiben fügte er einen Auszug aus einer Niederschrift des VG über einen Erörterungstermin vom 07.04.2004 (Verfahren des Klägers gegen den Bürgermeister der Stadt C wegen Sozialhilfe) sowie aus einem Schreiben seiner ihn dort vertretenden Anwälte vom 11.02.2004 bei, in denen u.a. auf die gesundheitlichen Einschränkungen im Rahmen des Praktikums bei der AWO eingegangen wurde.

Dieses Schreiben legte die Beklagte als Antrag auf Feststellungen von Leistungen aus (Schreiben vom 23.08.2012) und leitete diesbezügliche Ermittlungen ein. Sie holte Befundberichte des Orthopäden Dr. D vom 10.09.2012 (erstmalige Untersuchung 2009, angegeben wurden Schmerzen der LWS seit 2003, bekannter Bandscheibenprolaps L5/S1, ein Unfall sei nicht erwähnt worden), des Orthopäden Dr. L1 vom 10.09.2012 (Behandlung seit Juli 2002, Klagen über ischialgieforme Beschwerden seither, traumatisches Geschehen dort nicht behandelt) und des Internisten Dr. T1 vom 25.10.2012 (Behandlung am 27.05.2004, LWS-Symptomatik, spontane Entstehung bei nicht bekanntem Unfallereignis nicht auszuschließen) ein. Aus der beigefügten Patientenkartei ergaben sich Behandlungen wegen Lumboischialgien am 01.07.2002, 23.06.2003, 04.07.2003, 09.02.2004 und 27.05.2004. Außerdem zog die Beklagte eine Auflistung der Mitgliedszeiten und Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers bei der AOK bei. Der Kläger schilderte seine Belastung bei der angegebenen Tätigkeit mit weiterem Schreiben vom 17.09.2012 als "Tragen schwerer Lasten in extremer Rumpfbeugehaltung".

Mit Bescheid vom 13.03.2013 lehnte die Beklagte (erneut) die Anerkennung des Ereignisses vom 16.06. - 17.06.2003 als Arbeitsunfall ab. Bereits seit Juli 2002 seien bei ihm degenerative Beschwerden an der Wirbelsäule bekannt, wegen derer er auch in ärztlicher Behandlung gestanden habe. Es handele sich zudem nicht um ein plötzliches Ereignis im Sinne eines Arbeitsunfalls. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 09.04.2013...

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