Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Unbilligkeit wegen Erwerbstätigkeit. Ermessensausübung. besondere Härte. Rentenabschlag. Sozialhilfebedürftigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Gleichstellung von Pflegetätigkeiten mit den von § 4 UnbilligkeitsV erfassten Erwerbstätigkeiten kommt nicht in Betracht.
2. Nach der Konzeption des § 12a SGB 2 entspricht es dem pflichtgemäßen Ermessen des Grundsicherungsträgers, im Regelfall von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung Gebrauch zu machen. Als relevante Ermessensgesichtspunkte kommen daher nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, die keinen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen (vgl BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R = BSGE 119, 271 = SozR 4-4200 § 12a Nr 1).
3. Allein die Tatsache, dass der Bezug einer vorzeitigen Altersrente mit dauerhaften Rentenabschlägen verbunden ist und der Rentenabschlag ggf eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 12 verursachen kann, begründet keine besondere Härte (vgl BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R aaO).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 12.05.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat deren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen den Bescheid vom 13.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2016, mit dem die Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf vorzeitige Altersrente aufgefordert worden ist, ist nach § 86b Abs. 1 SGG zulässig (vgl. hierzu Beschlüsse des Senats vom 26.01.2015 - L 19 AS 1969/14 B ER und vom 22.05.2013 - L 19 AS 291/13 B ER -, m.w.N.), aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch bzw. die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 13.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2016 entfalten nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses der Antragstellerin, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei richtet sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in erster Linie nach dem Grad der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Eingriffsbescheides und den daraus folgenden Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 12a ff). Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. Da der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse des Antragsgegners (vgl. BSG, Beschluss vom 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R - SozR 4-1500 § 86a Nr. 2). Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1-3 VwGO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss in diesen Fällen eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (BVerfG, a.a.O; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12c m.w.N).
Danach überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, denn der angefochtene Bescheid ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht zu beanstanden.
Die angefochtene Aufforderung an die Antragstellerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente stützt sich auf § 12a i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II. Die aus diesen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Regelungsgefüge des SGB II und der Regelungskonzeption des Gesetzgebers sich ergebenden Voraussetzungen einer Aufforderung zur Rentenantragstellung erfüllt die streitbefangene Aufforderung an die Antragstellerin. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Aufforderung sind die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, sowie die fehlerfreie Ermessensentscheidung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II, den Leistungs...