Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. keine Zulassungsbedürftigkeit der Berufung. Unzulässigkeit der Beschwerde. unzutreffende Rechtsmittelbelehrung. keine Umdeutung in eine Berufung. keine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Berufungsverfahren
Orientierungssatz
1. Ist die Berufung kraft Gesetzes zulässig, bedarf es keiner Entscheidung des Gerichts über deren Zulassung mit der Folge, dass die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft ist.
2. Die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde folgt auch nicht aus einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung, da eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen kann.
3. Die unstatthafte Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht in eine Berufung umgedeutet werden, da die Umdeutung eines eindeutig eingelegten, aber unstatthaften Rechtsmittels in ein zulässiges Rechtsmittel ausgeschlossen ist.
4. Ein hiernach unzulässiges Beschwerdeverfahren kann nicht als Berufungsverfahren fortgesetzt werden; es bedarf vielmehr der Einlegung der Berufung. Eine analoge Anwendung des § 145 Abs 5 S 1 SGG kommt nicht in Betracht.
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2016 - S 35 AS 159/15 - wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt M K, X beigeordnet.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2016 ist unzulässig.
Die Beschwerde ist unstatthaft. Die Berufung ist bereits kraft Gesetzes nach § 143 SGG zulässig. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung nur der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Dies ist vorliegend der Fall. Streitig ist der Bescheid vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2014. Dieser Bescheid betrifft einen Überprüfungsantrag gerichtet auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2013. Demnach ist eine laufende Leistung für die Dauer von zwei Jahre streitig.
Da die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senates über deren Zulassung, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten erfolglos bleiben muss. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts. Denn eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 143 Rn. 14 b; BSG Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr. 1). Auch kann die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten nicht in eine Berufung umgedeutet werden. Die Umdeutung eines eindeutig eingelegten, aber unstatthaften Rechtsmittels in ein zulässiges Rechtsmittel scheidet aus (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2014 - L 7 AL 92/12 NZB; LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2012 - L 6 AS 1356/11 NZB; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2011 - L 10 AS 1087/09 NZB m.w.N.; offengelassen LSG NRW, Beschluss vom 08.06.2015 - L 16 KR 746/14 NZB).
Mangels einer Entscheidung des Senats über die Zulassung der Berufung tritt - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - die Rechtsfolge des § 145 Abs. 5 S. 1 SGG nicht ein (so wohl auch BSG, Urteil vom 03.06.2004 - B 11 AL 75/03 R, SozR 4-1500 § 144 Nr. 1). Das Beschwerdeverfahren wird somit nicht kraft Gesetzes als Berufungsverfahren fortgesetzt; es bedarf vielmehr der Einlegung einer Berufung, für die die wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht maßgebliche Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom 09.05.2012 - L 7 As 7/10 NZB). Eine entsprechende Anwendung des § 145 Abs. 5 S. 1 SGG kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Es fehlt hierfür bereits an einer Regelungslücke, die durch eine Analogie geschlossen werden könnte; denn den Beteiligten steht es bei einer irrtümlich ausgesprochenen Nichtzulassung der Berufung offen, gegen das Urteil entweder sogleich oder aber nach Aufhebung dieser Entscheidung Berufung einzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.09.1991 - 3 C 26.89 -, DÖV 1992, 166), wobei ihnen gegebenenfalls bei Versäumung der Berufungsfrist nach Maßgabe des § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dem Kläg...