Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitssuchenden zur Erreichbarkeit. Pflicht zur Zustimmungseinholung bei Ortsabwesenheit
Orientierungssatz
1. Das Erfordernis, gemäß SGB 2 § 7 Abs. 4a eine Zustimmung des bei der Beklagten zuständigen persönlichen Ansprechpartners vor Ortsabwesenheit einholen zu müssen, muss dem Leistungsempfänger grundsätzlich deutlich gemacht worden sein, sei es durch Beratung (SGB 1 § 14), sei es durch Aufnahme der Verpflichtung in die Eingliederungsvereinbarung.
2. Gerade weil das SGB 2 auf eine ausbuchstabierte gesetzliche Regelung der Erreichbarkeit verzichtet, wird man beim Leistungsempfänger nicht pauschal eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Anforderungen des SGB 2 § 7 Abs 4a iVm. der entsprechenden Anwendung der Erreichbarkeits-Anordnung unterstellen dürfen. Dies gilt natürlich noch umso mehr, wenn man dem Leistungsempfänger über SGB 2 § 7 Abs. 4 a eine Residenzpflicht auferlegen will.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 25.07.2008 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, L ab 20.02.2008 gewährt. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu gewähren. Insbesondere sind hinreichende Erfolgsaussichten für das Klageverfahren gegeben.
Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Satz 1 ZPO zu bewilligen, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02, SozR 4-1500 § 73 a Nr. 1 = NJW 2003, 3190). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (ausführlich m.w.N. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 7 ff.).
Es ist zur Überzeugung des Senats zumindest fraglich, ob die Beklagte die Entziehung der Leistungen für den Zeitraum vom 03.08.2007 bis 28.09.2007 auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X stützen konnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Veränderungen zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die (objektive) Beweislast trägt im Rahmen der Aufhebung eines Bewilligungsbescheides die Beklagte. Zur Überzeugung des Senats erscheint es zweifelhaft, ob dem Kläger im Klageverfahren eine zumindest grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.
Das Erfordernis, gemäß § 7 Abs. 4 a SGB II eine Zustimmung des bei der Beklagten zuständigen persönlichen Ansprechpartners vor Ortsabwesenheit einholen zu müssen, muss dem Leistungsempfänger grundsätzlich deutlich gemacht worden sein, sei es durch Beratung (§ 14 SGB I), sei es durch Aufnahme der Verpflichtung in die Eingliederungsvereinbarung (zum generellen Erfordernis eines Verschuldens des Leistungsempfängers bei Obliegenheitsverletzungen im Arbeitsförderungsrecht instruktiv BSGE 95, 8, 12 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1); zu den Beratungspflichten des SGB II-Leistungsträgers jetzt BSG 31. 10. 2007 (B 14/11 b 63/06 R). Gerade weil das SGB II auf eine ausbuchstabierte gesetzliche Regelung der Erreichbarkeit verzichtet, wird man beim Leistungsempfänger nicht pauschal eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Anforderungen des Abs 4 a iVm. der entsprechenden Anwendung der Erreichbarkeits-Anordnung unterstellen dürfen. Dies gilt natürlich noch umso mehr, wenn man dem Leistungsempfänger über Abs. 4 a eine Residenzpflicht auferlegen will (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, Rdnr. 88).
Ein entsprechender Hinweis ist dem Kläger im gesamten Zeitraum des Leistungsbezugs erstmals im Rahmen des Bescheides vom 10.01.2008, mithin zeitlich nach seiner hier streitigen Ortsabwesenheit, erteilt worden. Dieser Hinweis war somit nicht geeignet, eine Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit des Klägers zu begründen.
Unter diesen Gesichtspunkten sind Erfolgsaussichten für die Klage nicht schlechterdings zu verneinen, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass durchaus Aspekte für eine zumindest grob fahrlässige Unkenntnis der Anforderungen des § 7 Abs. 4 a SGB II sprechen. Aufgrund eines hier nicht streitigen Sanktionsbescheids der Beklagten vom 24.08.2007 dürfte dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er sich nicht ohne weiteres der Verfügbarkeit der Beklagten entziehen durfte. Im Rahmen dieses Bescheides war d...