Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Mehrbedarf wegen erheblicher Gehbehinderung. keine rückwirkende Bewilligung ab Zuerkennung. Vereinbarkeit mit Art 5 Abs 2 UNBehRÜbk

 

Leitsatz (amtlich)

Auf einen Fall des Mehrbedarfs nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII (hier idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I S 2670) findet das Diskriminierungsverbot der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (Art 5 Abs 2 UN-BRK; juris: UNBehRÜbk) keine Anwendung.

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, L, wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.05.2016 unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten kann keinen Erfolg haben.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung - (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 73a Rn. 7 ff., m.w.N.).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers bietet nicht in ausreichendem Maße Aussicht auf Erfolg im o.a. Sinne. Denn die nach Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch fristgerecht eingelegte Berufung gegen das o.a. Urteil hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Sozialgericht hat die auf Bewilligung eines Mehrbedarfes nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) auch für die Zeit von April 2014 bis Februar 2015 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 24.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2015 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG, soweit sie ihm den Mehrbedarf wegen Behinderung erst ab dem Monat März 2015 bewilligt hat.

Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 142 Abs. 3 Satz 2 SGG auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Diese entsprechen auch der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG eine rückwirkende Bewilligung des pauschalen Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII für die Zeit ab Zuerkennung des Merkzeichens "G" auch in der seit dem 07.12.2006 geltenden Fassung der Norm nicht in Betracht kommt (s. Senat, Beschl. v. 08.05.2014 - L 9 SO 55/14 B -, juris Rn. 16 ff.; Beschl. v. 20.07.2017 - L 9 SO 268/17 B - n.v.; Beschl. v. 27.10.2017 - L 9 SO 144/17 NZB - n.v.).

Der Kläger kann sich für seine abweichende Rechtsauffassung auch nicht auf das Diskriminierungsverbot der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) berufen. Denn dieses findet auf Fälle des Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII bereits keine Anwendung. Nach Art. 5 Abs. 2 UN-BRK verbieten die Vertragsstaaten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen. Zwar steht diese Regelung durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur UN-BRK m.W.v. 01.01.2009 im Range eines einfachen Bundesgesetzes und ist insoweit geltendes innerstaatliches Recht, speziell ist das Diskriminierungsverbot unmittelbar anwendbar (vgl. BSG, Urt. v. 06.03.2012 - B 1 KR 10/11 R -, juris Rn. 19 ff., 29). Art. 5 Abs. 2 UN-BRK verbietet freilich dann eine Ungleichbehandlung von Behinderten und Nichtbehinderten, wenn durch Normen oder sonstige Rechtsakte der Vertragsstaaten an die Behinderung des Betroffenen zu dessen Nachteil angeknüpft wird ("aufgrund von Behinderung"). Dies ist bei der Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII gerade nicht der Fall. Denn die Vorschrift differenziert nicht zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, sondern lediglich - und dann auch nur faktisch, weil bezogen auf die Dauer bis zur Erteilung eines Bescheides bzw. Schwerbehindertenausweises - zwischen den Personengruppen, die im Besitz eines Ausweises bzw. Bescheides über die Feststellung des Merkzeichens "G" sind und denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist. Innerhalb dieser Personengruppen werden hingegen alle Betroffenen gleich behandelt. Eine Differenzierung ist damit nicht schon in der Norm angelegt, die ohne Unterschied den Besitz des Schwerbehindertenausweises bzw. eines entsprechenden Bescheides mit dem bzw. über das Merkzeichen "G" fordert (BSG...

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