Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache bzw. wegen eines Verfahrensmangels

 

Orientierungssatz

1. Die Berufung ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Eine Rüge der Rechtsanwendung in einem Einzelfall begründet keine Zulassung der Berufung.

2. Zur Begründung eines Verfahrensmangels zur Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG müssen Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt.

3. Ein i. S. des § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund begründet eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung.

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 62; ZPO § 227 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.09.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist in der von § 145 Abs. 1 S. 2 SGG vorgeschrieben Form und Frist erhoben worden. Sie ist gemäß § 145 Abs. 1 S. 1 SGG statthaft. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 119,70 EUR beträgt und das Sozialgericht die Berufung nicht zugelassen hat.

Die Beschwerde ist unbegründet. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die Streitsache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Minderung der Grundsicherung von Februar 2015 bis April 2015 um 10% des maßgeblichen Regelbedarfs, weil die Klägerin trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 08.10.2014 ohne wichtigen Grund nicht erschienen ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob bei einem seit 2009 unverändert bestehenden Bewerberangebot und nicht beschiedenem Antrag, nach § 27 SGB II darlehensweise Leistungen zu gewähren, Veranlassung zur Vergabe von Meldeterminen bestehe, wirft keine Rechtsfrage auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Vielmehr handelt es sich um eine Rüge der Rechtsanwendung im Einzelfall, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht (erneut) zur Prüfung gestellt werden kann.

Ebenso wenig liegt der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor, da die Klägerin keine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmängel geltend macht, die vorliegen und auf denen das Urteil beruhen kann. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils. Es geht insoweit nicht um die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2005 - L 6 AL 63/05 NZB). Ein Verfahrensmangel verpflichtet nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt, d.h. "geltend gemacht" wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt.

Soweit die Klägerin behaupten sollte, die Verhandlung in der Streitsache gegen die Sanktion wegen des Meldeversäumnisses habe nur 15 Minuten gedauert, fehlt es bereits an einem schlüssigem Vortrag, wieso das Protokoll für das Verfahren S 11 AS 459/15 den Beginn des Termin mit "12.50 Uhr" und das Ende des Termins mit "13.40 Uhr" ausweist, insoweit unrichtig ist. Der Umstand, dass das Sozialgericht in der Terminsladung eine Dauer von 15 Minuten für den Termin prognostiziert hatte, begründet einen Verfahrensfehler allein deshalb nicht, weil es allenfalls auf die tatsächliche Terminsdauer ankommt.

Die Rüge der Klägerin, das Sozialgericht habe ihren Anträgen vom 10.09.2015 und 15.09.2015, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 zu verlegen, um ihr nach der am 10.09.2015 erfolgten Mandatsniederlegung der Bevollmächtigten Zeit für die Vorbereitung des Termins zu geben, nicht entsprochen, begründet nicht die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Eine Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör liegt nicht vor (...

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