Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss für arbeitsuchende EU-Ausländer
Orientierungssatz
1. EU-Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableitet, haben nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB 12 weder Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGG 2 noch auf Sozialhilfe nach dem SGB 12.
2. Der Leistungsausschluss für arbeitsuchende EU-Ausländer in § 7 SGB 2 und § 23 SGB 12, mit dem die EU-Richtlinie 2004/38 vom 29.04.2004 umgesetzt wurde, verstößt nicht offensichtliche gegen primäres Gemeinschaftsrecht, sodass er im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG als wirksam anzusehen ist.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 12.02.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die am 00.00.1977 geborene Antragstellerin lebt gemeinsam mit ihrem am 00.00.2001 geborenen Sohn E in P. Die Antragstellerin ist litauische Staatsbürgerin. Sie war erstmals 1999 als Au-pair-Mädchen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und kehrte nach drei Monaten nach Litauen zurück. Seit dem 01.01.2004, mit dem Beitritt Litauens zur EU, lebt sie in Deutschland. Mit Bescheid vom 30.08.2006 wurden ihr für den Zeitraum 08.06.2006 bis 31.12.2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bewilligt.
Ohne Anhörung hob die Antragsgegnerin die Leistungen ab 01.10.2006 mit Bescheid vom 19.09.2006 gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Zur Begründung wurde dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Beschäftigung nach den arbeitsgenehmigungsrechtlichen Bestimmungen nicht erfüllt seien. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den mit Bescheid vom 14.11.2006 entschieden worden ist. Im Widerspruchsbescheid stützte die Antragsgegnerin ihre Entscheidung auf § 45 SGB X. Gleichwohl wurden der Antragstellerin die bewilligten Leistungen bis einschließlich Dezember ausgezahlt.
Am 27.11.2006 hat die Antragstellerin Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie am 31.10.2006 zum letzten Mal Leistungen erhalten habe. Sie sei im sechsten Monat schwanger und verfüge über keinerlei anderes Einkommen. Ab Dezember sei sie nicht mehr krankenversichert.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur sofortigen Wiederaufnahme der Leistungen gemäß SGB II zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass der Antragstellerin keine Leistungen nach dem SGB II zustehen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass sie nicht zur Leistung verpflichtet sei und weist zur Begründung auf einen Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 02.05.2006 (S 22 AS 263/06 ER) hin.
Mit Beschluss vom 12.02.2007 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 29.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 der gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthafte Antrag sei. Für diesen bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil an die Antragstellerin die Leistungen für die Monate Oktober bis Dezember 2006 noch ausgezahlt worden seien. Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG abgelehnt, weil die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II nicht zum berechtigten Personenkreis gehöre. Ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU sei sie nicht freizügigkeitsberechtigt, da sie sich nicht als Arbeitnehmerin zur Arbeitssuche oder zur Ausbildung in Deutschland aufhalten wolle. Für sie komme nur eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitssuchende in Betracht, so dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II eingreife. Auch eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Leistung an die Antragstellerin könne nicht erfolgen, weil die Antragstellerin für die Zeit ab 01.01.2007, aber auch schon für die Zeit ab 02.12.2006, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe. Denn gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 02.12.2006 (BGBl I 2006, S. 2670) erhalten habe, hätten Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB II verstoße auch nicht gegen Europarecht. Die bisherige Rechtsprechung des LSG NRW in den Beschlüssen vom 04.09.2006 und 02.11.2006 (L 20 B 73/06 AS ER und L 20 B 248/06 AS ER), in denen der Sozialhilfeträger zur Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt unter Geltung des alten § 23 SGB XII verpfl...