Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Anforderungen an die Zuerkennung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs bei einem an Diabetes erkrankten Leistungsempfänger
Orientierungssatz
Kann trotz einer Erkrankung (hier: Diabetes) der Nahrungsbedarf eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende aus sog. Vollkost gedeckt werden, besteht kein Anspruch auf einen den Regelsatz erhöhenden Mehrbedarf, selbst wenn die Erkrankung eine besonders sorgfältige Nahrungsauswahl erfordert. Ein solcher Mehrbedarf kommt grundsätzlich nur bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen in Betracht.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.09.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist, ob dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für das von ihm geführte und gem. § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beendete Klageverfahren wegen ernährungsbedingtem Mehrbedarf zu bewilligen ist.
Der Kläger bezieht von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bis zum 28.02.2009 bewilligte der Beklagte ihm neben der Regelleistung und den Kosten für Unterkunft und Heizung jeweils einen monatlichen Mehrbedarf von 51,13 Euro wegen kostenaufwändiger Ernährung. Am 26.01.2009 stellt der Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen ab dem 01.03.2009. In diesem Zusammenhang wurde erneut der Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gestellt. Mit Bescheid vom 27.01.2009 gewährte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des beantragten Mehrbedarfs. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Kläger vom 05.02.2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2009 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt. Er hat Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt und vorgetragen, er habe aufgrund der vorliegenden Erkrankungen (Diabetes, Hepatitis B, Polyneuropathie und Hypertonie) einen gesteigerten Ernährungsaufwand.
Das SG hat zunächst eine Schweigepflichtsentbindungserklärung des Klägers bezüglich der behandelnden Ärzte angefordert, die der Kläger am 12.05.2009 unterschrieben zurückgesandt hat. Auf Anforderung des Beklagten hat der Kläger weiter einen Gesundheitsfragebogen ausgefüllt und am 01.07.2009 übersandt. Dieser wurde über das SG vom Beklagten dem ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt. In der daraufhin erfolgten ärztlichen Stellungnahme kam die Ärztin für Arbeits- und Innere Medizin Dr. O unter Berücksichtigung von vorliegenden medizinischen Unterlagen über die Erkrankungen des Klägers (Zuckerstoffwechselstörung Typ II, erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörung, Hepatitis B, orthopädische, nerven- und augenfachärztliche Leiden) zu dem Ergebnis, dass sich ein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung aus ärztlicher Sicht nicht ableiten ließe. Am 28.07.2009 hat der Kläger die PKH-Erklärung übersandt. Mit Verfügung vom 14.10.2009 hat das SG den Kläger an die Stellungnahme zum ärztlichen Bericht erinnert und einen aktuellen Bewilligungsbescheid angefordert. Diesen Bescheid hat der Kläger am 07.12.2009 eingereicht (Bescheid vom 20.07.2009). Mit Verfügung vom 09.12.2009 hat das Sozialgericht den Kläger auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01.10.2008 sowie auf die Entscheidung des Landessozialgerichts NRW vom 12.03.2009 - L 19 B 54/09 AS - hingewiesen. Danach komme ein ernährungsbedingter Mehrbedarf regelmäßig (nur) bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen in Betracht. Zudem sei zur Begründung eines Anspruchs ein ärztliches Attest erforderlich, das den Gesundheitsschaden bezeichne und die Notwendigkeit einer Krankenkost darlege. Der Kläger sei aufgefordert, eine solche Bescheinigung vorzulegen sowie zu erläutern und zu belegen, inwiefern und in welcher Höhe ihm ein Mehrbedarf entstehe. An die Verfügung hat das Sozialgericht am 03.03.2010 erinnert. Mit Schreiben vom 10.05.2009, welches dem Prozessbevollmächtigtem des Klägers am 26.05.2010 zuging, hat das SG den Kläger auf § 102 Abs. 2 SGG hingewiesen. Es bestünden Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers. Das SG hat den Kläger aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und insbesondere die prozessleitende Verfügung vom 09.12.2009 zu beantworten. Das SG hat den Kläger auf die Rechtsfolgen nach § 102 Abs. 2 SGG hingewiesen. Am 30.09.2010 hat das SG die Streitsache als Rücknahme gem. § 102 Abs. 2 SGG ausgetragen.
Das SG hat die Gewährung von PKH mit Beschluss vom 30.09.2010 abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, da die Klage gem. § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gelte nachdem der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als drei ...