Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Streitwerts in einem Vollstreckungsverfahren unter Berücksichtigung der Vollstreckungsaussichten

 

Orientierungssatz

1. Der Streitwert für ein sozialgerichtliches Verfahren nach § 52 GKG ist bei einer Geldleistung nicht ohne Weiteres dem bezifferten Forderungsbetrag zu entnehmen. Geht es dem Verfahrensbeteiligten darum, eine Vollstreckung nach Restschuldbefreiung i. S. von § 301 InsO zu verhindern, so bemisst sich der Streitwert nicht nach dem Nennwert der Forderung.

2. Bei einer Klage, mit der im Wege des § 184 InsO die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung, sind die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung maßgeblich. Sind diese als nur gering anzusehen, so ist ein Abschlag von 75 % des Nennwerts der Forderung angemessen.

 

Normenkette

GKG § 52 Abs. 1, 3; InsO §§ 301, 302 Nr. 1, § 174 Abs. 2, §§ 182, 184, 185 S. 3

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.11.2013 in Fassung des Änderungsbeschlusses vom 29.11.2013 geändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 32.100,37 EUR festgesetzt.

Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

 

Gründe

I.

Die Beklagte erhob mit an den Kläger adressiertem Bescheid vom 2.12.2008 als Ergebnis einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eine Beitragsnachforderung von 128.401,49 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 29.374,00 Euro. Zuvor hatte das Amtsgericht (AG) L mit Beschluss vom 14.10.2008 (Az.: 73 IN 00/08) über das Vermögen des Klägers wegen dessen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet, in dessen Verlauf die Beigeladene am 17.3.2009 die in dem Bescheid der Beklagten vom 2.12.2008 geregelte Beitragsnachforderung nebst Säumniszuschlägen in voller Höhe als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gemäß § 266a Strafgesetzbuch i.V.m. § 823 Bürgerliches Gesetzbuch anmeldete.

In dem nach erfolglosem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid vom 30.4.2009) angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln hob die Beklagte mit Anerkenntnis vom 12.6.2013 den angefochtenen Bescheid auf.

Das SG hat mit Beschluss vom 14.11.2013 den Streitwert zunächst in Höhe der mit dem Bescheid vom 2.12.2008 festgesetzten Pflichtbeiträge festgesetzt und auf die am 18.11.2013 eingelegte Beschwerde des Klägers den Streitwert sodann unter Berücksichtigung der erhobenen Säumniszuschläge mit Beschluss vom 29.11.2013 mit 128.401,98 Euro beziffert.

Gegen den ihr am 26.11.2013 zugestellten Beschluss vom 14.11.2013 hat die Beklagte am 5.12.2014 bei dem SG Köln Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert in Höhe der Insolvenzquote gemäß § 102 Insolvenzordnung (InsO) festzusetzen. Die Insolvenzquote werde mit 5 % bemessen.

Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beklagte verkenne, dass sich der Verfahrenswert nach dem Streitgegenstand, mithin der mit dem angefochtenen Bescheid geregelten Beitragsnachforderung, bemesse. Es sei nicht um eine insolvenzrechtliche Klage gegangen, sondern um eine Klage vor dem Sozialgericht aufgrund eines Betriebsprüfungsverfahrens, die die Beklagte gegenüber dem Kläger zu Unrecht geltend gemacht habe. Es gehe auch nicht um einen Insolvenzverwalter, der etwas bestritten haben könne, sondern allein um die Beklagte und den Kläger.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der von dem Senat beigezogenen Gerichtsakten betreffend das bei dem AG L unter dem Az.:73 IN 00/08 geführte Insolvenzverfahren Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung von drei Berufsrichtern (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 31.8.2009, L 8 R 11/09 R, juris).

Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Der Streitwert für das Klageverfahren ist auf den in dem Tenor des Beschlusses bezifferten Betrag festzusetzen.

1. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz [GKG]). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Nach Auffassung des Senats ist der Streitwert weder in Anwendung der §§ 182, 185 Satz 3 InsO in Höhe des Betrages festzusetzen, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist (zur Bemessung des Streitwertes der Klage eines Insolvenzverwalters vgl. Senat, Beschluss v. 14.3.2014, L 8 R 636/13 B), noch kann bei der Bemessung des Streitwertes ohne Weiteres auf den in dem angefochtenen Bescheid bezifferten Nachforderungsbetrag zurückgegriffen werden. Vielmehr ist das wirt...

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