Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust des Aufenthaltsrechts. Gewöhnlicher Aufenthalt. Ausschluss von Grundsicherungsleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein gewöhnlicher Aufenthalt entfällt, wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt hat, die Abschiebung angedroht und den Sofortvollzug angeordnet hat.
2. Ein Antrag auf aufschiebende Wirkung bei Verwaltungsgerichten begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Das Gleiche gilt für die Erklärung der Ausländerbehörde, die Abschiebung nicht zu vollziehen, bis über den Antrag entschieden wurde.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; SGB I § 30; FreizügG/EU § 5 Abs. 4
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 17.11.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N aus E beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung der Anordnung einer aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige.
Die am 00.00.1987 geborene Antragstellerin zu 1) übte in der Zeit vom 01.06.2012 bis 31.10.2012 eine geringfügige Beschäftigung als Haushaltshilfe aus. Im Arbeitsvertrag vom 08.05.2012 war eine Arbeitszeit von 20 Stunden monatlich gegen ein Entgelt von 180,00 EUR monatlich vereinbart. In der Zeit vom 06.05.2013 bis 05.11.2013 war die Antragstellerin zu 1) als Haushaltshilfe geringfügig beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von 18 Stunden monatlich gegen ein Entgelt i.H.v. 180,00 EUR vereinbart.
Die Antragstellerin zu 1) bezog mit ihren Kindern - den Antragstellern zu 2 bis zu 5) (geboren am 00.00.2009, 00.00.2011, 00.00.2012, 00.00.2015) - seit dem 08.05.2012 durchgehend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Die Antragstellerin zu 1) bezieht für vier Kinder Kindergeld, im Jahr 2022 i.H.v. insgesamt 913,00 EUR. Laut Eintragung in den Geburtsurkunden ist der Vater der Antragsteller zu 2) bis zu 5) unbekannt. Die Antragstellerin zu 1) bezieht keine Leistungen nach dem UVG.
Laut der Schulbescheinigung vom 05.09.2022 besucht die Antragstellerin zu 2) die T-Schule in E in der Jahrgangsstufe 5C. Der Schulbesuch dauert voraussichtlich bis zum 31.07.2029.
Laut der Schulbescheinigung vom 10.08.2022 besucht die Antragstellerin zu 3) im Schuljahr 2021/2022 die Hauptschule H-Straße in der Klasse 5B. Der Schulbesuch dauert voraussichtlich bis zum 31.07.2027.
Laut der Schulbescheinigung vom 17.08.2022 besucht die Antragstellerin zu 4) die R-Grundschule in der Klasse 4c. Der Schulbesuch dauert voraussichtlich bis zum 31.07.2023.
Laut der Schulbescheinigung vom 17.08.2022 besucht der Antragsteller zu 5) die R-Grundschule in der Klasse 1C. Der Schulbesuch dauert voraussichtlich bis zum 31.07.2025.
Mit fünf Bescheiden vom 20.07.2022 stellte die Stadt E den Verlust des Rechts der Antragsteller zu 1) bis zu 5) auf Einreise und Aufenthalt aus § 2 FreizügG/EU, und das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 und eines Aufenthaltsrechts sui generis aus Art. 20/21 AUEV fest. Die sofortige Vollziehung der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt wurde angeordnet und die Abschiebung nach Rumänien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und stellten einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Das Ausländeramt der Stadt E erklärte gegenüber dem Verwaltungsgericht, dass es bis zu einer Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Vollzugsmaßnahmen treffen wird.
Mit Bescheid vom 03.05.2022 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.05.2022 bis 30.04.2023 i.H.v. insgesamt 1.995,52 EUR monatlich. Auf den Bedarf der Antragsteller zu 2) bis zu 5) wurde das jeweilige Kindergeld angerechnet.
Am 12.09.2022 teilte die Stadt E dem Antragsgegner mit, dass der Verlust der Freizügigkeit der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt worden und hiergegen Klage erhoben worden sei.
Mit Bescheid vom 19.09.2022, adressiert an die Antragstellerin zu 1), hob der Antragsgegner die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.10.2022 ganz unter Berufung auf § 48 Abs. S. 1 SGB X auf. Es sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, da die Ausländerbehörde für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft den Verlust der Freizügigkeit gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt habe.
Hiergegen legten die Antragsteller am 13.10.2022 Widerspruch ein.
Am 13.10.2022 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dortmund beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern ab dem Antragseingang bei dem Sozialgericht Dortmund Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren
Sie haben vorgetragen, die Verlustfeststellungen seien rechtswidrig, da sie ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO ...