Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnungsfähigkeit der staatlichen Umweltprämie als Einkommen bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Prozesskostenhilfe ist u. a. zu bewilligen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt.
2. Die Rechtsfrage, ob Einnahmen in Form der staatlichen Umweltprämie im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB 2 bedarfsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen sind oder vor dem Hintergrund von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB 2 als zweckbestimmte Einnahmen anrechnungsfrei bleiben, ist in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor umstritten. Die vor dem BSG anhängige Rechtsfrage ist bisher nicht entschieden.
3. Von einer zweckbestimmten Leistung ist auszugehen, wenn ihr eine bestimmte, öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich begründete, Zweckrichtung zu Eigen ist. Unter § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB 2 fallen damit solche Einnahmen, die einem anderen Zweck als Unterhalt oder Eingliederung dienen und deren Zweck im Fall der Anrechnung vereitelt würde. Die staatliche Umweltprämie dient der Verschrottung alter und fördert den Absatz neuer Personenkraftwagen. Damit dient sie einem anderen Zweck als Unterhalt oder Eingliederung i. S. des § 1 Abs. 2 SGB 2.
4. Hängt die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage ab, ob die Umweltprämie bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen als Einkommen anrechnungsfrei bleibt, ist dem Kläger bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen PKH zu bewilligen.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 01.04.2010 wird dieser teilweise abgeändert.
Den Antragstellern wird für die Durchführung des erstinstanzlichen Eilverfahrens ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S L, X.Straße 5, 50000 J, beigeordnet.
Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung abweichend verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 05.03.2010 bis 31.03.2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne Anrechnung eines Einkommens aus der der Antragstellerin zu 1) gewährten staatlichen Umweltprämie zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 10 % der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen des Eilverfahrens.
Den Antragstellern wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab Antragstellung am 05.05.2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S L, X.Straße 5, 50000 J beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne bedarfsmindernde Berücksichtigung der der Antragstellerin zu 1) gewährten staatlichen Umweltprämie (sog. "Abwrackprämie") im Sinne der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009, geändert mit Richtlinien vom 17.03.2009 und 26.06.2009 (Bundesanzeiger (BAnz) S. 835, 1056, 1144 und 2264) als Einkommen von der Beklagten.
Die Antragsteller zu 2) und 3) sind die minderjährigen Kinder der Antragstellerin zu 1). Gemeinsam als Bedarfsgemeinschaft beziehen diese fortlaufend Leistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin.
Am 23.09.2009 teilte die Antragstellerin zu 1) der Antragsgegnerin mit, dass sie im September 2009 ein neues Kraftfahrzeug gekauft habe, welches sie durch die staatliche Umweltprämie, Ersparnisse und einen Kredit finanziert habe. Zum Nachweis legte sie eine Rechnung des Autohauses Q GmbH in J vom 18.09.2009 vor, wonach sie einen neuen Pkw, Modell Dacia Sandero, zu einem Gesamtpreis von 8.325,00 EUR inklusive Überführung/Bereitstellung sowie Zulassungsgebühr und Kennzeichen erworben hatte. Diese Rechnung enthielt folgende Zahlungsvereinbarung: "2.500,00 EUR staatliche Umweltprämie, 1.000,00 EUR bar bei Lieferung, 4.825,00 EUR Renault Bank". Darüber hinaus legte sie einen mit der Renault Bank zur Teilfinanzierung des Pkw geschlossenen Darlehensvertrag vor. Danach hat die Antragstellerin zu 1) monatliche Darlehensraten in Höhe von 86,72 EUR an die finanzierende Bank zu entrichten. Der Pkw verbleibt bis zur vollständigen Darlehenstilgung im Sicherungseigentum der Bank. Diese hat bis zu diesem Zeitpunkt zudem Besitz an der Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kfz-Brief). Des Weiteren legte sie einen Nachweis über eine Kfz-Versicherung bei der E vor, wonach sie monatlich einen Versicherungsbeitrag in Höhe von 21,66 EUR für die Haftpflicht zu leisten hat.
Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 27.08.2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern gemeinsam als Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 23.09.2009 addierte monatliche Gesamtleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2009 bis 31.03.2010 in Höhe von insgesamt 971,58 EUR. Dabei berücksichtigte sie ein monatliches Einkommen in Höhe von 208,33 EUR entsprechend ...