Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung. Anforderungen an die Wertung einer Äußerung über die Rückführung von zu Unrecht gewährtem Honorar als Verwaltungsakt. Vollziehung. Schadensersatzforderung

 

Orientierungssatz

1. Ein Quartalsabrechnungsbescheid der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (K(Z)ÄV) stellt dann einen Verwaltungsakt dar, wenn das dem Vertragsarzt zustehende Honorar darin betragsmäßig festgesetzt ist. Bei den in den Rubriken Gutschriften und Zahlungen gelisteten Rechnungsposten handelt es sich nicht um selbständig anfechtbare, einer isolierten Bindung fähige Teilentscheidungen. In gleicher Weise gilt Letzteres hinsichtlich des geltend gemachten Einbehalts einer Rückforderung.

2. Die Annahme eines Verwaltungsaktes setzt den Regelungscharakter einer behördlichen Äußerung voraus. Der erkennbare Regelungswillen muss auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sein. Der Vorschlag der K(Z)ÄV, für die Rückführung zu Unrecht gezahlter Honorare einen bestimmten Anteil von der Quartalsabrechnung für die Schadenswiedergutmachung einzubehalten, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

3. Dagegen enthält die Formulierung "es wird um Mitteilung gebeten, wie Sie den Betrag von x € zurückzuführen gedenken" eine von einem Regelungswillen getragene Regelung. Angesichts eines solchen inhaltlich unmissverständlichen Regelungswillens sind die Kriterien eines Verwaltungsaktes auch dann gegeben, wenn dem Schriftsatz eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt ist.

4. Als Vollziehung ist nicht nur die zwangweise Durchsetzung sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes anzusehen (vgl LSG Essen vom 16.4.2003 - L 10 B 21/02 KA ER = GesR 2003, 314).

5. Eine durch Bescheid geltend gemachte Schadensersatzforderung kann weder durch Einbehalt noch durch eine Aufrechnung vollzogen werden (vgl LSG Essen vom 6.1.2004 - L 11 B 17/03 KA ER = Breith 2004, 263).

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.11.2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

Der Antragsteller ist derzeit wieder zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassener Zahnarzt.

Im Februar 1997 eröffnete der Antragsteller in einer Zeit, in der er sich wegen einer Freiheitsstrafe von November 1996 bis Februar 1999 im offenen Strafvollzug befand, eine privatzahnärztliche Praxis. Einen Teil der Praxisräumlichkeiten überließ er dem Zahnarzt S, der mit Beschluss vom 19.11.1997 als Vertragszahnarzt zugelassen wurde. In der Folgezeit rechnet der damalige Vertragszahnarzt S als "Strohmann" Leistungen ab, die der Antragsteller bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht hatte. Für den Zeitraum vom 12.01.1998 bis 10.04.2000 zahlte die Antragsgegnerin Honorar und Kosten auf vom Zahnarzt S unterzeichnete Abrechnungen aus. Das Landgericht Düsseldorf hat den Antragsteller mit Urteil vom 20.12.2001 wegen gemeinschaftlichen Betrugs und versuchten gemeinschaftlichen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (bestätigt durch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.12.2002 - 3 StR 161/02 - MedR 2003, 298 ff.). Der Schaden beläuft sich nach den Berechnungen des Landgerichts auf 1.011.244,50 DM (517.041,11 EUR).

Mit bestandskräftig gewordenem Neufestsetzungs- und Rückforderungsbescheid vom 01.06.2004 forderte die Antragsgegnerin zu Unrecht ausgezahlte Vergütungen bzw. zu Unrecht erstattete Kosten für die Quartale IV/1997 bis I/2000 in Höhe von 517.041,11 EUR von Zahnarzt S zurück. Hiervon realisierte sie einen Teilbetrag von 20.681,36 EUR.

Der Berufungsausschusses-Zahnärzte ließ den Antragsteller zum 01.07.2006 zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zu. Mit Schreiben vom 25.06.2008 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie wolle auf sein Angebot zur Schadenwiedergutmachung zurückkommen; sie schlage vor, den Betrag von 496.359,75 EUR durch Einbehalte von 25 % des durchschnittlich Quartalsumsatzes zurückzuführen. Hierauf erklärte der Antragsteller, die in der Sitzung des Berufungsausschusses abgegebene Erklärung, den Schaden wieder gut zu machen, sei ein von der Antragsgegnerin nicht angenommenes Angebot gewesen; er bezweifle, dass überhaupt ein Schaden entstanden sei und bitte um den Nachweis, dass bei Zahnarzt S erfolglos vollstreckt worden sei. Im übrigen erhebe er die Einrede der Verjährung. Nach weiterer Korrespondenz kündigte die Antragsgegnerin an (Schreiben vom 20.10.2008), dass sie von künftigen Zahlungsansprüchen Einbehalte in Höhe von 10 % vornehmen werde. Mit Schreiben vom 22.10.2008 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie das auszuzahlende Honorar III/2008 um den Einbehalt von 337,84 EUR reduzieren werde.

Unter dem 17.11.2008 legte der Antragsteller unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren Widerspruch gegen die mit Schreiben vom 20.10.2008 angekündigten und durchgeführten Einbehalte ein. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 27.08.2009). Die Antr...

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