Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Rechts des Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht im sozialgerichtlichen Verfahren - Erstellung von Kopien
Orientierungssatz
1. Nach § 56a S. 1 SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
2. Eine Ausnahme hiervon, und damit eine selbständige gerichtliche Kontrolle der Entscheidung, ist zulässig, wenn diese zur Wahrung der Grundrechte oder des rechtlichen Gehörs sofort erfolgen muss, weil anderenfalls das Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht gewahrt werden könnte (BVerfG Beschluss vom 24. 10. 1990, 1 BvR 1028/90).
3. Für die Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens steht dem Verfahrensbeteiligten das Akteneinsichtsrecht aus § 120 SGG zu. Nach Abs. 1 S. 2 dieser Vorschrift kann sich der Antragsteller auf seine Kosten auch Ausdrucke oder Abschriften von der beigezogenen Verwaltungsakte machen lassen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.03.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde vom 06.04.2021 gegen den am 26.03.2021 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.03.2021, mit dem das Sozialgericht den sinngemäßen Antrag des Antragstellers (§ 123 SGG), im Wege einer einstweiligen Anordnung seinen im Verfahren S 79 U 884/18 gestellten Anträgen zu entsprechen, d.h. die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die ihn betreffende Verwaltungsakte betreffend die Anerkennung und Folgen eines Arbeitsunfalls vom 04.03.2010 (betrieblich veranlasste Impfung mit anschließendem Guillain-Barré-Syndrom) mit dem Aktenzeichen 15 S 11 2010 012489 ab Seite 4658 in Kopie sowie vollständig in einer auf CD-ROM gespeicherten elektronischen Version kostenlos zur Verfügung zu stellen, abgelehnt hat, ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft und gemäß § 173 Abs. 1 SGG fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen.
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung in der Hauptsache, die hier im Übrigen unter dem Aktenzeichen S 79 U 884/18 bereits anhängig ist, bedürfte nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil die Beteiligten nicht um Leistungen im Sinne dieser Vorschrift streiten. Zwar kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den begehrten Leistungen um Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I handelt (BSG, Urt. v. 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R -, juris Rn. 11; Wehrhahn, in: jurisPK-SGG, § 144 Rn. 13 m.w.N.). Nicht zu den behördlichen Handlungen, auf die ein Leistungsanspruch im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bestehen könnte, gehören jedoch Handlungen, die den Sozialleistungsträgern durch das Verwaltungsverfahrensrecht auferlegt sind, das dafür sorgt, dass über die sozialrechtlichen Leistungen in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden wird. Zu diesen behördlichen Verfahrenshandlungen gehört auch die vom Antragsteller begehrte Übersendung von kostenlosen Kopien der über ihn geführten Verwaltungsakte. Bezüglich eines solchen Verwaltungshandelns besteht kein Grund, die Instanzenbeschränkung des § 144 SGG zum Nachteil eines Betroffenen eng so auszulegen, dass sich diese auch auf einen Streit um ein grundlegendes Bürgerrecht gegenüber der Verwaltung erstreckt. Denn in einem ordnungsgemäßen sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren soll die Behörde so handeln, dass über die sozialrechtliche Leistung in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden wird. Maßnahmen, die es dem Betroffenen ermöglichen, sein Recht auf Gehör sachgemäß zur Geltung zu bringen, sind daher grundsätzlich nicht von der Berufungseinschränkung erfasst (so BSG, Urt. v. 14.12.1988 - 9/43b RV 55/86 -, juris Rn. 13; Urt. v. 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, juris Rn. 15; Bayerisches LSG, Beschl. v. 20.10.2011 - L 7 AS 142/11 NZB -, juris Rn. 8 f.; Karl, in: Zeihe/Hauck, SGG, § 144 Anm. 7a gg)).
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
1. Die vom Antragsteller primär begehrte Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgerichts Dortmund wegen angeblicher Verfahrensfehler des Sozialgerichts scheidet aus, weil es insoweit an einer Rechtsgrundlage fehlt.
Es kann dahinstehen, ob das Sozialgericht verfahrensfehlerhaft gehandelt hat, weil der Kammerv...