Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerlegung der Vermutungsregelung einer Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
1. Mit der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB 2 hat der Gesetzgeber Tatbestände normiert, die den Schluss auf das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft von Partnern zulassen. Mit dem Zusammenleben wird der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet.
2. Zur Widerlegung dieser Vermutung ist es Sache des Hilfebedürftigen, plausible Gründe darzulegen, die beweisen, dass das Zusammenwohnen lediglich als reine Zweck- oder Wohngemeinschaft einzustufen ist.
3. Wird aufgrund nachweisbarer Umstände eine wirtschaftliche und persönliche Verbundenheit beider Partner deutlich, welche über die Beziehungen in einer reinen Wohngemeinschaft hinausgeht, so ist das Bestehen einer Einstehens- und damit einer Bedarfsgemeinschaft zu bejahen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Beschwerde im Wege des einstweiligen Rechtschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 01.04.2015.
Die im Jahre 1956 geborene Antragstellerin erhält seit 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie bezieht ein schwankendes Gehalt zwischen ca. 150 EUR und 242,75 EUR monatlich aus einer Tätigkeit für das C Anzeigenblatt und bewohnt ein Eigenheim in X. Die Nebenkosten betragen einschließlich Heizkosten (165,- EUR) 247,68 EUR. Im Juli 2014 wurde dem Antragsgegner von Dritten mitgeteilt, dass außer der Antragstellerin auch Herr R im Haus der Antragstellerin wohne. Die Antragstellerin erklärte dazu, Herr R sei ein guter Freund, der allerdings alleine wohne und sie oft besuche, weil man in Zukunft zusammenziehen wolle. Nach Mitteilung der Gemeinde X ist Herr R seit 1999 unter der Adresse der Antragstellerin gemeldet.
Im März 2015 beantragte die Antragstellerin die Weitergewährung von Leistungen ab April 2015. Auf Aufforderung des Antragsgegners überreichte sie einen mit der Volksbank I eG geschlossenen Darlehensvertrag vom 03.09.2012 über 22.700 EUR. Dieser wies die Antragstellerin und Herrn R als Darlehensnehmer aus. Der Verwendungszweck des Darlehens wurde mit "Renovierungen am Wohnhaus" ausgewiesen. Das Darlehen wird von der Antragstellerin in monatlichen Raten i.H.v. 300 EUR bedient. Als Sicherheit wurden eine neu einzutragende Briefgrundschuld sowie die Abtretung einer Risikolebensversicherung i.H.v. 15.000 EUR durch Herrn R als Versicherungsnehmer vereinbart. Am 23.04.2015 statteten Vertreter des Antragsgegners der Antragstellerin einen unangemeldeten Besuch ab. Hierbei gab die Antragstellerin an, Herr R sei nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1998 bei ihr eingezogen. Die Antragstellerin reichte eine eidesstattliche Versicherung des Herrn R sowie die Erklärung einer Nachbarin zu den Akten, in denen im Wesentlichen mitgeteilt wurde, dass die Antragstellerin und Herr R in einer Wohngemeinschaft zusammen lebten.
Mit Bescheid vom 29.05.2015 lehnte der Antragsgegner den Fortzahlungsantrag ab, weil eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit Herrn R bestehe. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein, das Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Am 28.05.2015 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. Zur Begründung hat sie vorgetragen und mit einer eidesstattlichen Versicherung bekräftigt, zwischen Herrn R und ihr bestehe lediglich eine Wohngemeinschaft. Die Antragstellerin hat eine Entgeltabrechnung aus April 2015 (mit einem Gehaltsanspruch von 242,75 EUR) und den Darlehensvertrag mit einer ausgewiesenen Zins- und Tilgungshöhe von 300,- EUR vorgelegt. Hierin wird die Abtretung der Lebensversicherung des Herrn R ausgewiesen und zusätzlich dessen persönliche Haftung als Gesamtschuldner vereinbart.
Mit Beschluss vom 14.07.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Antragstellerin Kontoauszüge nicht rechtzeitig vorgelegt habe.
Gegen den am 16.07.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 23.07.2015. Die Antragstellerin trägt vor, sie stehe nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Herrn R.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.07.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab 01.04.2015 vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus den vom Senat angeforderten Kontoauszügen ergibt sich, dass der Antragstellerin von Herrn R im Mai 2015 ...