Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichtes Gelsenkirchen vom 15.03.2007 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 15.03.2007 hat das Sozialgericht (SG) die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 21.02.2007 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Einbeziehung von Frau T L und Herrn Q T als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger und Frau L bildeten keine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II, so dass dieser Umstand einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht entgegenstehe (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Denn entgegen der Rechtsauffassung des SG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vor. Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vermutungsregelung vor, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO)). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er damit einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen, oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, Seite 146, 149; Wersig, info also 2006, Seite 246, 248; Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 126). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.

Der Vortrag des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Der Senat konnte dabei offen lassen, ob die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nur dann greift, wenn zwischen den Mitbewohnern ein "gemeinsamer Haushalt" i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II besteht (so Landessozialgericht (LSG) NRW vom 07.02.2007, L 1 B 45/06 AS ER; ferner LSG Baden-Württemberg vom 16.01.2007, L 13 AS 3747/06 ER - B; anders SG Reutlingen vom 18.12.2006, S 2 AS 4271/06 ER: "wenn zwei Personen in einer räumlich nicht getrennten Wohneinheit ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben"; vgl. auch Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 125 f. mit Hinweis auf die Bedürftigkeitsfiktion des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Hierfür könnte sprechen, dass § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II definiert, wer als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist dies insbesondere eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II könnte möglicherweise voraussetzen, dass auch die in § 7 A...

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