Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Ermittlung eines Sozialversicherungsbeitrags im Rahmen einer Betriebsprüfung. Voraussetzung des Erlasses eines Summenbescheids. Anforderungen an die Schätzung der Beitragshöhe in einem Summenbescheid

 

Orientierungssatz

1. Legt ein Arbeitgeber im Rahmen einer Prüfung der Erfüllung seiner Meldepflicht zur Sozialversicherung keine vollständigen Entgeltaufzeichnungen vor, so ist der prüfende Rentenversicherungsträger zum Erlass eines Summenbescheides berechtigt.

2. Ist ein Rentenversicherungsträger berechtigt, die Beitragspflicht in einem Summenbescheid festzustellen, so ist er in der Auswahl der Schätzmethoden zur Ermittlung der Beitragshöhe frei, soweit er bei der Schätzung von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgeht. Dagegen ist er nicht verpflichtet, die Methode so auszuwählen, dass das für den Beitragsschuldner günstigste Schätzergebnis erreicht wird.

3. Einzelfall zur Ermittlung der Beitragshöhe zur Sozialversicherung in einem Summenbescheid bei einem Gastronomiebetrieb.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.1.2016 geändert. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 17.12.2015 wird aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.10.2015 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 38.320,33 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1.10.2015 ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergangene Bescheid vom 1.10.2015 als rechtswidrig erweisen wird. Das gilt auch eingedenk des Umstandes, dass das Anhörungsverfahren einen Fehler aufweist (hierzu unter 1.). Es sprechen keine maßgeblichen Gesichtspunkte dagegen, dass die Antragsgegnerin einen Summenbescheid nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV erlassen durfte (hierzu unter 2.). Die Einwände des Antragstellers gegen die dabei vorgenommene Schätzung greifen nicht durch (hierzu unter 3.). Überwiegende Bedenken gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen bestehen nicht (hierzu unter 4.) Eine besondere Härte für den Antragsteller aufgrund einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist nicht ersichtlich oder dargetan (hierzu unter 5.). Zur Klarstellung war auch die Zwischenverfügung des SG vom 17.12.2015 aufzuheben (hierzu unter 6.).

1. Die Anordnung der aufschiebenden W...

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