Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zur Krankenversicherung der Rentner

 

Orientierungssatz

1. Eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner setzt nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB 5 voraus, dass der Betreffende seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens zu 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder nach § 10 SGB 5 versichert war.

2. Der Begriff "erstmalige Aufnahme der Erwerbstätigkeit" ist gebietsneutral zu verstehen. Damit sind auch solche Versicherungszeiten als Vorversicherungszeit zu berücksichtigen, die auf Zeiten im Ausland entfallen.

3. Die Rahmenfrist für die Halbbelegung beginnt nicht erst mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich des SGB 5. Als Erwerbstätigkeit gilt jede auf Erwerb oder zur Berufsausbildung ausgeübte Beschäftigung. Hierzu zählt auch die Aufnahme eines entgeltlichen Praktikums im Ausland.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.12.2017; Aktenzeichen B 12 KR 43/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.10.2015 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Der 1950 in Kasachstan geborene Kläger kam 1995 mit seiner Ehefrau, die Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 Bundesvertriebenengesetz ist (Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 14.06.1995), nach Deutschland. In der UDSSR/der Kasachischen SR/Kasachstan war er ausweislich der vorgelegten Übersetzung des Arbeitsbuchs seit dem 29.06.1966 mit kurzzeitigen Unterbrechungen bis zum 20.11.1995 ("Übersiedlung nach Deutschland") beschäftigt. Versicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland sind für die Zeiten vom 25.11.1995 bis 30.06.1999 und vom 12.07.1999 bis 20.09.2014 nachgewiesen (Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherungsknappschaft-Bahn-See vom 02.06.2015). Die dem Kläger ausgezahlte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit betrug ab 01.10.2014 435,01 EUR im Monat (Rentenbescheid vom 07.08.2014).

Mit Bescheid vom 10.07.2014 lehnte die Beklagte mangels der erforderlichen Vorversicherungszeit eine Aufnahme es Klägers in die KVdR ab. Derzeit sei er noch pflichtversichert. Bei Beendigung dieses Versicherungsverhältnisses könne er innerhalb von drei Monaten der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung beitreten.

Mit Bescheid vom 25.08.2014 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Durchführung der Familienversicherung ab dem 20.09.2014 ab.

Am 28.08.2014 erhob der Kläger Widerspruch. Er sei mit der Entscheidung nicht einverstanden, da er als Rentner weiter in der Pflichtversicherung verbleiben könne.

Mit Bescheid vom 01.09.2014 erläuterte die Beklagte die Rechtslage eingehend und stellte die maßgebliche Rahmenfrist dar sowie die nachgewiesenen Vorversicherungszeiten. Der Bescheid vom 10.07.2014 sei zu Recht ergangen. Die Entscheidung sei nochmals überprüft worden, obwohl die Widerspruchsfrist bereits am 10.08.2014 abgelaufen gewesen sei. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch aufrechterhalten bleibe.

Entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung legte der Kläger am 01.10.2014, nunmehr rechtsanwaltlich vertreten, Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.09.2014 ein. Es könne bestätigt werden, dass die erstmalige Erwerbstätigkeit im Juni 1966 aufgenommen wurde; er sei jedoch lediglich als Praktikant bzw. Auszubildender tätig gewesen in den Jahren 1966 - 1968. Diese Tätigkeit sei nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V zu werten. Einer Erwerbstätigkeit sei er erst ab Januar 1972 nachgegangen. Zudem sei die Regelung verfassungswidrig. Er habe sehr lange Zeiten versicherungspflichtig in Deutschland gearbeitet. Die Regelung bringe mit sich, dass bei kürzeren Erwerbstätigkeiten eher Versicherungspflicht in der KVdR erreicht werden könne als bei einer sehr langen Tätigkeit. Ferner stelle sich die Frage, ob Erwerbstätigkeiten, die im Ausland absolviert wurden, tatsächlich im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V herangezogen werden können. Er habe bis 1995 in der ehemaligen Sowjetunion gelebt. Dieser Lebenssachverhalt falle somit nicht unter den Geltungsbereich des SGB V, so dass diese Zeiten insgesamt außer Betracht zu bleiben hätten.

Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10.07.2014 wies die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2014 zurück. Die maßgebliche Rahmenfrist laufe vom 29.06.1966 bis 01.07.2014. Die zweite Hälfte dieser Rahmenfrist laufe vom 02.10.1989 bis 01.07.2014. Statt der erforderlichen Vorversicherungszeit von 21 Jahren, 7 Monaten und 12 Tagen summierten sich die Versicherungszeiten bei der Beklagten, deren Rechtsvorgängerinnen sowie der AOK Q auf lediglich 18 Jahre, 6 Monate und 29 Tage. Ein zwischenstaatliches Abkommen, das die Ermöglichung der Berücksich...

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