Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufrechnung von Ansprüchen eines Trägers der Sozialhilfe nach dem BSHG gegen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB 2. kein Verwaltungsakt. Übergangsvorschrift. Beginn der Ausschlussfrist
Orientierungssatz
1. Die Aufrechnung gegen sozialrechtliche Leistungsansprüche ist auch durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung ohne den Charakter eines Verwaltungsaktes zulässig.
2. Die Zulässigkeit der Aufrechnung von Rückforderungsansprüchen des Sozialhilfeträgers mit Leistungsansprüchen nach SGB 2 richtet sich bei gegebener Aufrechnungslage nach der zweijährigen Ausschlussfrist des § 65e S 2 SGB 2 idF vom 20.7.2006. Diese Frist beginnt frühestens mit dem Inkrafttreten des § 65e S 2 SGB 2 am 1.8.2006 und lässt bei durchgehendem Bezug von Leistungen nach dem SGB 2 ab diesem Zeitpunkt eine Aufrechnung dementsprechend bis zum 31.7.2008 zu.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.05.2007 geändert. Der Antrag auf Auszahlung der Leistungen der Antragsgegnerin in nicht durch die Aufrechnung zu Gunsten der Beigeladenen in Höhe von monatlich 50,00 EUR verringerter Höhe wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N, C, beigeordnet.
Gründe
I. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist streitig die Zulässigkeit der Aufrechnung von Ansprüchen eines Trägers der Sozialhilfe nach dem BSHG gegen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (§§ 43 Satz 1, 65e SGB II).
Nach vorherigem Bezug von Leistungen der Beigeladenen nach dem BSHG erhält die Antragstellerin seit dem 01.01.2005 durchgängig Leistungen der Antragsgegnerin nach dem SGB II.
Für den hier streitigen Zeitraum bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheiden vom 31.10.2006 und 06.11.2006 für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 sowie mit Bescheid vom 14.03.2007 für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 Leistungen nach dem SGB II unter Einschluss der Regelleistung nach § 20 SGB II und 345,00 EUR in Höhe von monatlich insgesamt jeweils 650,79 EUR.
Am 20.07.2006 meldete die Beigeladene einen Erstattungsanspruch in Höhe von 855,03 EUR aus überzahlten Leistungen nach dem BSHG (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005) an und bat um Aufrechnung dieser Forderung mit laufenden Ansprüchen der Antragstellerin nach dem SGB II.
Gegen die darauf hin vorgenommene Aufrechnung ab dem 01.09.2006 wandte sich die Antragstellerin erfolgreich in dem Verfahren S 31 AS 77/06 SG Gelsenkirchen.
Am 15.01.2007 wandte sich die Beigeladene erneut an die Antragsgegnerin mit der Bitte um Vornahme einer Aufrechnung zur Begleichung ihrer Forderung gegen die Antragstellerin aus dem Bescheid vom 25.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005.
Mit Schreiben vom 17.01.2007 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer bevorstehenden Aufrechnung in Höhe von maximal monatlich 103,50 EUR an.
Hiergegen wandte sich die anwaltlich vertretene Antragstellerin und teilte mit, da sie bereits seit mehr als 2 Jahren Leistungen nach dem SGB II erhalte, sei eine Aufrechnung nunmehr nach § 65e Satz 2 SGB II ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 28.02.2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ab dem 01.04.2007 die Forderung der Beigeladenen in Höhe von monatlich 50,00 EUR gegen den laufenden Leistungsanspruch der Antragstellerin aufrechnen werde.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 21.03.2007 - vorsorglich - Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig abgewiesen wurde, weil die Aufrechnung keinen durch Widerspruch anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle.
Am 21.03.2007 hat die Antragstellerin Klage erhoben (S 11 AS 74/07 SG Gelsenkirchen) sowie im vorliegenden Verfahren die vorläufige Untersagung der Aufrechnung begehrt. Weil die Beigeladene erklärt habe, sie sehe mangels finanzieller Leistungsfähigkeit der Antragstellerin von der sofortigen Beitreibung der Forderung ab, liege angesichts unveränderter finanzieller Verhältnisse der Antragstellerin eine Selbstbindung der Beigeladenen und ein Aufrechnungshindernis für die Antragsgegnerin vor. Dies habe die Antragsgegnerin bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Vornahme einer Aufrechnung zu beachten.
Mit Beschluss vom 02.05.2007 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 01.04.2007, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, die ihr bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auszuzahlen, ohne einen Betrag von monatlich 50,00 EUR im Wege der Aufrechnung einzubehalten.
Dies hat das Sozialgericht damit begründet, die nunmehr vorgenommene Aufrechnung sei wegen Ablauf...