Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streitigkeiten aus dem Bereich des Vergaberechts der gesetzlichen Krankenkassen. Zuständigkeit. Rechtsweg. Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des Vergaberechts der gesetzlichen Krankenkassen. Ausschreibung von Inkontinenzhilfen im Rahmen der Hilfsmittelversorgung. Vergabekammern. Zuschlagserteilung. Rahmenvereinbarung. Vorabentscheidung. Zulässigkeit des Rechtswegs. Kartellrechtliche Streitigkeit. Leistungserbringungsrecht. Aufsplitterung des Rechtswegs bei Maßnahmen von Krankenkassen. Rabattverträge
Leitsatz (amtlich)
Zuständig für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich des Vergaberechts der gesetzlichen Krankenkassen (hier: Ausschreibung von Inkontinenzhilfen im Rahmen der Hilfsmittelversorgung) sind nicht die Vergabekammern iS von §§ 102, 104 GWB, sondern die Sozialgerichte (§ 51 SGG, § 69 SGB 5).
Normenkette
SGG §§ 51, 69; SGB V §§ 69, 126 Abs. 1, § 127 Abs. 1, §§ 130a, 33; GWB §§ 102, 104, 114 Abs. 2 S. 1, §§ 19, 21; GVG § 17a Abs. 3 S. 2, Abs. 4, § 13; SGB X § 58; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; ZPO §§ 920-921, 923, 926, 928, 938-939, 945; GKG § 52 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. November 2007 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Gerichtskosten können nicht erhoben werden. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren. Der Streitwert wird auf 100,00 EUR festgesetzt. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe
I. Streitig ist, welcher Rechtsweg für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Zuschlagserteilung in einem Vergabeverfahren gegeben ist. Sachliche Grundlage für das Vergabeverfahren ist ein Vertrag zur Hauszustellung und Lieferung von Inkontinenzartikeln für Versicherte der Antragsgegnerin im Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Die Antragstellerin betreibt in E ein Sanitätshaus und ist als Orthopädietechnikbetrieb gemäß § 126 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Vertragspartner der Antragsgegnerin (Zulassungsbescheid vom 12.07.2005). Die Zulassung umfasst ua die Abgabe von Inkontinenzhilfen an Versicherte der Antragsgegnerin. Bei einem geschätzten Gesamtumsatz von rund 750.000,- EUR im Jahr 2006 machte dieser Bereich bei der Antragstellerin nach unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin einen Jahresumsatz von ca 2.000,- EUR aus (11 - 12 % des Umsatzes aller Inkontinenzartikel im Jahr 2006).
Die Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenkasse mit allein rund 31.600 Versicherten in Nordrhein-Westfalen. Durch Bekanntmachung vom 10.10.2007 (Europäische Gemeinschaft - Lieferaufträge - offenes Verfahren 2007/S 195-237200) schrieb sie den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs 1 SGB V zur Versorgung ihrer Versicherten mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln und Krankenunterlagen europaweit aus (Tag der Absendung der Bekanntmachung: 08.10.2007). Die Ausschreibung erfolgte in 20 Losen, wobei die Lose 4 bis 8 auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen bezogen waren. Schlusstermin für den Eingang der Angebote bzw. Teilnahmeanträge war der 19.11.2007 - 24.00 Uhr (Ziff IV.3.4 der Bekanntmachung), die Bindungsfrist der Angebote reicht bis zum 07.01.2008 (Ziff IV.3.7 der Bekanntmachung).
Die Antragstellerin forderte die Vergabeunterlagen nicht selbst bei der Antragsgegnerin an, sondern beschaffte sich diese außerhalb der unter Ziff IV3.3 der Bekanntmachung genannten Bedingungen auf bisher nicht näher geklärte Weise.
Mit Schreiben vom 23.10.2007 forderte sie die Antragsgegnerin auf, ihr gegenüber innerhalb einer Frist von drei Werktagen klarzustellen, dass aufgrund dieser Ausschreibung kein Zuschlag erteilt werde, denn sie sehe sich durch die Leistungsbeschreibungen und die Vertragsbestimmungen an der Abgabe eines Angebotes gehindert. Zur weiteren Begründung führte sie ua aus, die Leistungs- und Vergabebedingungen benachteiligten sie unangemessen und berücksichtigten nicht die gesetzlichen Bestimmungen, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zuschlag berechtigt sei, eine Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin mit Inkontinenzartikeln weiterhin durchzuführen. Mit Schreiben vom 26.10.2007 lehnte die Antragsgegnerin eine inhaltliche Befassung ab, denn die Antragstellerin habe die Vertragsunterlagen nicht ordnungsgemäß angefordert. Daher sei diese im vorliegenden Vergabeverfahren bereits keine Bewerberin, es fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auf Seiten der Antragstellerin.
Am 30.10.2007 hat die Antragstellerin vor dem Sozialgericht Düsseldorf den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und zur Begründung ua ausgeführt, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei nach § 51 Abs 1 Ziff 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Sie berufe sich nicht auf eine Verletzung von Vergaberecht, sondern mache...