Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Festbetragsfestsetzung für Alpha-Rezeptorenblocker
Orientierungssatz
Die Festbetragsregelung nach § 35 SGB 5 ist nicht offensichtlich verfassungswidrig und bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes anzuwenden. Wird bei einer Festbetragssetzung ein wissenschaftlicher Meinungsstreit deutlich, sprengt dessen gerichtliche Bewertung den Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der streitigen Festbetragsfestsetzung ist daraus nicht abzuleiten und damit auch keine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten, die durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr beseitigt werden könnten. Selbst wenn Umsatzverluste ein erhebliches privates Interesse an der Anordnung einer aufschiebenden Wirkung begründen, steht dieser nicht existenzbedrohenden Ertragseinbuße ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Regelung entgegen. Es entspricht dem in § 35 Abs 7 Satz 2 SGB 5 zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der bisherigen Rechtsprechung des LSG NW, wegen der Bedeutung der Festbeträge für die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung - einer Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang - dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug gegenüber den Individualinteressen des Leistungserbringers in einer derartigen Fallgestaltung den Vorrang einzuräumen.
Gründe
Das antragstellende Pharmaunternehmen begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Festbetragsfestsetzung für Alpha-Rezeptorenblocker.
Die Antragsgegner beschlossen am 16.10.1997 (BAnz 1997, 13062) Festbeträge für die Festbetragsgruppe Alpha-Rezeptorenblocker Gruppe 2 gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 des Sozialgesetzbuchs -- Gesetzliche Krankenversicherung -- (SGB V). Die Antragstellerin macht im Hauptsacheverfahren vor dem SG Köln (S 19 Kr 147/97) geltend, daß die Zusammenfassung der Wirkstoffe Terazosin und Alfuzosin in einer Festbetragsgruppe wegen mangelnder pharmakologisch-therapeutischer Vergleichbarkeit der Wirkstoffe offensichtlich rechtswidrig sei. Sie produziere und vertreibe das Arzneimittel Flotrin mit dem Wirkstoff Terazosin, der bei der Festbetragsbildung außer Betracht bleiben müsse. Darüber hinaus sei der Äquivalenzfaktor für Terazosin zu hoch angesetzt worden mit der Folge zu geringer Festbeträge. Sie sei nunmehr gezwungen, die Herstellerabgabepreise um rd. 33,4 % zu senken. Im Zeitraum von Oktober 1996 bis September 1997 habe sie mit allen Handelsformen von Flotrin einen Umsatz auf der Basis der Herstellerabgabepreise von 7,3 Mio. DM erzielt. Bei angenommenen gleichbleibenden Absatzzahlen beziffere sich der negative Einfluß auf die Ergebnissituation, der ihr für 1998 aufgrund des Inkrafttretens der Festbeträge drohe, auf 2,4 Mio. DM. Dies sei ein ganz erheblicher wirtschaftlicher Schaden, der neben den schweren Mängeln der Festbetragsgruppenbildung und des Äquivalenzfaktors sowie der Verfassungswidrigkeit des Festbetragssystems den am 12.12.1997 beantragten Erlaß einer einstweiligen Anordnung rechtfertige.
Das SG hat durch Beschluß vom 15.12.1997 Prof. Dr. R ..., Institut für Klinische Pharmakologie der J.W. G-Universität F/M., zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige hat in Kurzgutachten vom 16.12. und 18.12.1997 dargelegt, es handele sich bei den Wirkstoffen Alfuzosin und Terazosin um pharmakologisch- therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe. Er könne auch nachvollziehen, daß die Äquivalenzfaktoren korrekt ermittelt worden seien.
Mit Beschluß vom 23.12.1997 hat das SG Köln den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsgrund, weil trotz des Vorlagebeschlusses des BSG vom 14.6.1995, Az. 3 RK 20/94, NZS 1995, 502 bis zur Entscheidung des BVerfG die verfassungsrechtliche Beurteilung der Festbetragsregelung offen sei. Eine offensichtlich rechtswidrige Anwendung des § 35 SGB V liege unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen nicht vor.
Gegen diesen am 5.1.1998 zugestellten Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 30.1.1998, der das SG nicht abgeholfen hat. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht darüber hinaus geltend, das SG habe sich nicht mit der offensichtlichen pharmakologischen Unvergleichbarkeit der beiden Wirkstoffe befaßt, wesentliche Unterschiede in der therapeutischen Vergleichbarkeit übersehen und den grob fehlerhaften Äquivalenzfaktor nicht berücksichtigt. Sie nimmt u.a. auf ein von ihr eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. F ... vom 28.1.1998 Bezug. Die hieraus resultierende Grundrechtsverletzung (Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) erfordere den Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß des Sozialgerichts Köln vom 23.12.1997 aufzuheben und im Wege der einstweil...