Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Eilbedürftigkeit des Anliegens bei der Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz. Einstweilige Anordnung. Vergütung von Krankentransportsleistungen. Folgenabwägung. Nachholbedarf. Existenzgefährdung. Streitwert
Orientierungssatz
1. Ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligten zu entscheiden.
2. Macht der Antragsteller erstmals eineinhalb Jahre nach Entstehen des von ihm geltend gemachten Anspruchs dessen Bewilligung durch einstweiligen Rechtsschutz geltend, so spricht dies erheblich gegen eine Eilbedürftigkeit seines Anliegens.
3. Die Bewilligung von Leistungen für einen abgelaufenen Zeitraum durch einstweiligen Rechtsschutz ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen lediglich die Fälle dar, in denen ein sog. Nachholbedarf besteht. Dieser ist nur dann gegeben, wenn bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung erhebliche Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen.
4. Macht der Antragsteller geltend, in seiner Existenz gefährdet zu sein, so muss er nachvollziehbar darlegen, dass diese Existenzgefährdung kausal auf die angegriffene Maßnahme zurückzuführen ist. Keinesfalls reicht es aus, auf Schulden bzw. Zahlungsverpflichtungen hinzuweisen.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2 S. 2; GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 25.01.2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.361,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die nach ihren Angaben derzeit arbeitslos ist und Arbeitslosengeld bezieht, betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit erbrachte sie Krankentransportleistungen insbesondere für ihre Nichte und Schwiegermutter, die beide bei der Antragsgegnerin krankenversichert waren. Die Beförderungsleistungen der Antragstellerin wurden von der Antragsgegnerin zunächst zumindest bis Juni 2010 vollständig vergütet. Nachfolgend kürzte die Antragsgegnerin die Rechnungen der Antragstellerin und verweigerte weitere Zahlungen im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Antragstellerin falsch abrechne und dass ihr aufgrund dieser unberechtigten Abrechnungen Gegenforderungen i.H.v. 54.386,40 EUR zustünden.
Am 17.12.2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Detmold den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe seit Juli 2010 bis einschließlich Februar 2011 ihre Rechnungen nicht mehr ausgeglichen. Abzüglich einer Einmalzahlung i.H.v. 10.000,00 EUR belaufe sich ihr noch bestehender Vergütungsanspruch auf 16.806,22 EUR. Sie habe die Beförderungskosten ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet; für einen Einbehalt von Zahlungen durch die Antragsgegnerin bestehe keine Berechtigung. Ein Abwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei ihr nicht zuzumuten. Ohne kurzfristigen Ausgleich ihrer Ansprüche sei sie in ihrer Existenz gefährdet. Sie erhalte keine Kredite mehr und sehe sich erheblichen Forderungen von Gläubigern ausgesetzt. Den Lebensunterhalt bestreite sie aus dem gezahlten Arbeitslosengeld.
Die Antragstellerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Krankenbeförderungskosten für den Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 in Höhe von weiteren 16.806,22 EUR zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat u.a. vorgetragen, die Antragstellerin habe keinen Zahlungsanspruch. Die von ihr zur Darlegung eines Anspruchs eingereichten, meist schon von Anbeginn streitigen Rechnungen seien zum Einen der Höhe nach nicht begründet und zum Anderen durch Aufrechnung mit im Einzelnen gelisteten und in Beanstandungsschreiben näher bezeichneten Gegenforderungen i.H.v. insgesamt 54.386,40 EUR erloschen. Die Forderungen beruhten auf falschen Abrechnungen der Antragstellerin in den Jahren 2007 bis 2010. Die Antragstellerin habe z.B. Fahrstrecken in Ansatz gebracht, die bei einer wirtschaftlichen Versorgung nicht angefallen wären; sie habe Entfernungskilometer falsch angegeben, Fahrten ihrer Familienangehörigen als "im Rollstuhl sitzende Krankenbeförderungen" abgerechnet, obwohl eine entsprechende ärztliche Verordnung nicht vorgelegen habe, habe zur Beförderung nicht zugelassene Fahrzeuge verwendet und Doppelabrechnungen vorgenommen. Auch wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Antragstellerin eingestellt worden seien, ändere dies nichts an der Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen. Im Übrigen könne ein einsteiliges Anordnungsverfahren nicht dazu dienen, einen vorläufigen Zahlungstitel aus seit langem streitigen Sachverhalten zu schaffen.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat den Antrag der Antragstellerin mit Besc...