Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenversicherung für eine Helmtherapie zur Behandlung einer Schädelasymmetrie bei einem Kind

 

Orientierungssatz

1. Die Helmorthesenbehandlung zur Korrektur der Schädeldeformität eines Kindes stellt eine neue Behandlungsmethode i. S. des § 135 Abs. 1 SGB 5 dar. Bedingt durch das Kopfwachstum des Kindes erfolgen dabei regelmäßige Kontrollen und Anpassungen der Orthese im Rahmen der Therapie. Mangels einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss bisher nicht abgegebenen positiven Empfehlung besteht keine Leistungspflicht der Krankenversicherung.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens existiert keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Bisher liegen keine klaren wissenschaftlichen Daten über den Nutzen der Methode vor; infolgedessen ist eine eindeutige Empfehlung für eine Behandlung mit einer dynamischen Kopforthese durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht möglich.

3. Eine Schädelasymmetrie stellt keinen sog. Seltenheitsfall dar, bei dem eine Ausnahme von dem Erfordernis einer Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erwogen werden kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.01.2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Helmtherapie.

Der am 00.00.2012 geborene Kläger ist bei der Beklagten über seinen Vater familienversichert. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Kinderorthopädin X (D Center® im B-Stift I) sowie eines Kostenvoranschlages des D Centers T beantragten die Eltern des Klägers Anfang Oktober 2012 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Kopforthesenbehandlung (auch: Helmtherapie oder Helmorthesentherapie). Ärztlich bescheinigt wurde ein ausgeprägter Brachy-/ Plagiozephalus.

Den Antrag lehnte die Beklagte ab. Sie führte zur Begründung aus, bei der Helmtherapie handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine positive Empfehlung abgegeben habe. Vorrangig seien eine Lagerungsbehandlung und physikalische Therapien nach der Heilmittel-Richtlinie (Bescheid vom 10.10.2012).

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch übersandte der Kläger einen Behandlungsbericht des Annastifts I vom 10.10.2012 und eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Orthopäden X1 vom 24.01.2013. Das B-Stift I äußerte die Einschätzung, dass Behandlungsalternativen in Form von orthopädischer Behandlung, Krankengymnastik und Lagerungstherapie nach Vollendung des vierten Lebensmonates nicht mehr erfolgversprechend seien. Übereinstimmend teilten Herr X1 und das B-Stift mit, dass ohne Durchführung einer Helmtherapie gesundheitliche und psychosoziale Folgeschäden drohten.

Die Therapie begann am 21.11.2012 und endete im April 2013. Hierfür stellte das D Center den Eltern des Klägers unter dem 27.11.2012 einen Betrag in Höhe von 1.819,00 EUR in Rechnung.

Der von den Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in einem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 03.12.2012 u.a. aus: Der Nutzen des Einsatzes von Kopforthesen sei bisher nicht evidenzbasiert belegt. Es lägen keine höherwertigen Studien vor, wonach der Einsatz von Kopforthesen zur Behandlung der Schädeldeformität der Lagerungstherapie und ggf. weiteren erforderlichen Maßnahmen (z. B. Heilmittel) gleichwertig oder überlegen sei. Zweifelhaft sei im Übrigen bereits das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Erkrankung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie bezog sich auf die vom MDK geäußerte Beurteilung und die zur Helmtherapie ergangene Rechtsprechung.

Am 05.04.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Helmtherapie sei die einzig wirksame Behandlungsform. Ihr Erfolg sei mit Abschluss der Behandlung nachgewiesen. Darüber hinaus stelle es ein Systemversagen dar, dass die Aktualisierung der einschlägigen Richtlinien des GBA bislang nicht erfolgt sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die D-Helmtherapie in Höhe von 1.819,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gestützt.

Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte des Orthopäden X1 und der Orthopädin X eingeholt. Wegen des Inhaltes wird auf Blatt 58 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der GBA hat auf Anfrage des SG unter dem 12.08.2013 mitgeteilt, eine Helmorthesentherapie sei als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode bisher mangels Antrages nicht überprüft worden. Es lägen weder Erkenntnisse oder Daten bezüglich der Wirksamkeit, medizinischen Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit der Therapie noch Kenntnisse ...

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