Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ablehnung wegen fehlender Hilfebedürftigkeit. Anspruch auf vorzeitige Altersrente. Leistungsentziehung wegen fehlender Mitwirkung im Rentenverfahren
Orientierungssatz
1. Für die Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs 1 SGB 2 ist es unerheblich, ob dem Leistungsberechtigten bei entsprechender Antragstellung gegenüber dem Rentenversicherungsträger ein Anspruch auf vorgezogene Altersrente zusteht.
2. § 12a SGB 2 gibt - anders als § 51 Abs 3 SGB 5 im Bereich des Krankengeldes - keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 mit dem Verweis auf den Antrag auf vorrangige Leistungen abzulehnen.
3. Eine Leistungsversagung oder -entziehung nach § 66 Abs 1 S 1 SGB 1 ist möglich, wenn der Leistungsberechtigte im Rentenverfahren seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.02.2016 mit der Maßgabe geändert, dass der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, der Antragstellerin vorläufig den Regelbedarf nach § 20 SGB II ab 15.02.2016 bis 31.07.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Instanzen.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M aus T bewilligt.
Gründe
I.
Die am 00.00.1951 geborene Antragstellerin bezog laufend Leistungen nach dem SGB II.
Am 12.05.2015 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 24.04.2015. Die Regelaltersrente, die ab 01.05.2017 gezahlt werden könnte, würde 540,55 Euro betragen. Die Antragstellerin könne eine Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, da die Wartezeit erfüllt sei. Frühester Rentenbeginn wäre ab dem 01.12.2014 mit einem Rentenabschlag von 8,7 %.
Mit Schreiben vom 28.05.2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf die geminderte Altersrente zu stellen. Den von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid am 15.06.2015 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner, nach einem erfolglos geführten Eilverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf (S 24 AS 2178/15 ER) mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 als unbegründet zurück.
Der Antragsgegner beantragte am 09.07.2015 bei dem Rentenversicherungsträger gemäß § 5 Abs. 3 SGB II die Rentenzahlung für die Antragstellerin, da diese einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hatte. Die Antragstellerin wurde hierüber mit einem Schreiben des Antragsgegners vom 09.07.2015 und einem Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 16.07.2015 informiert. Der Rentenversicherungsträger forderte die Antragstellerin unter Hinweis auf §§ 60, 66 SGB I zu Angaben und Auskünften zum Versicherungsleben im Rahmen einer formellen Antragsaufnahme im Service Zentrum auf. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nicht nach, da sie die Antragstellung für unbillig hielt. Mit bestandskräftigen Bescheid vom 28.09.2015 lehnte der Rentenversicherungsträger den Antrag auf Altersrente mangels Mitwirkung ab.
Mit Bescheid vom 07.10.2015 entzog der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II ab 01.11.2015 gemäß § 66 SGB I. Den von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2015 als unbegründet zurück. Der Antragsgegner erkannte die aufschiebende Wirkung der gegen diesen Bescheid eingereichten Klage - S 21 AS 4256/15 - nach einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Beschwerdeverfahren L 19 AS 2221/15 B ER an. Den Bescheid hob der Antragsgegner mit Abhilfebescheid vom 23.12.2015 auf und zahlte der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bis zum 31.01.2016 in Höhe von monatlich 799,35 Euro bzw. 804,35 Euro (Januar 2016).
Den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin vom 22.12.2015 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.01.2016 ab. Die Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig, da sie einen Leistungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend machen könne. Ein tatsächlicher Zufluss der Rente sei nicht erforderlich. Der Antragsgegner bezog sich auf einen Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.08.2015 - L 3 AS 370/15 B ER.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 29.01.2016 Widerspruch ein. Sie erhalte keine Leistungen Dritter. Nach überwiegender Meinung komme es auf den Zufluss der Rentenzahlung an.
Die Antragstellerin hat am 15.02.2016 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie hat im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsschreiben wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass der Antragsgegner im Wege der Prozessstandschaft gegen die Ablehnung der Gewährung der Altersrente hätte Widerspruch einlegen müssen.
Mit Beschluss vom 29.02.2016 hat das Sozialgericht den A...