Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung. Erkennbarkeit der Minderungshöhe. Pflicht des Grundsicherungsträgers zu Gewährung ergänzender Sachleistungen

 

Orientierungssatz

1. Aus der gem § 31 Abs 1 S 1 SGB 2 angeordneten schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung muss unmittelbar deutlich erkennbar sein, welche konkrete Rechtsfolge aus einer Pflichtverletzung resultiert. Der Berechtigte muss durch einfachste Überlegungen aus der Rechtsfolgenbelehrung erkennen können, welche genaue prozentuale Absenkung des Arbeitslosengeld II eine Verletzung der festgelegten Pflichten zur Folge hat.

2. Im Sanktionsbescheid ist gem § 31a Abs 3 S 2 SGB 2 zeitgleich zusammen mit der Absenkung der Leistung eine Entscheidung über die Gewährung von Sachleistungen zu treffen, wenn in der Haushaltsgemeinschaft minderjährige Kinder leben. Dies gilt unabhängig davon, ob der sanktionierte Leistungsberechtigte einen Antrag auf Gewährung ergänzender Sachleistungen gestellt hat.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 06.07.2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Der Antragsgegner wendet sich gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Sanktionsbescheid, mit dem das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten um 100 v. H. abgesenkt worden ist.

Durch Bescheid vom 13.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2010 senkte die Stadt E die Regelleistung der Antragstellerin um 30 v.H. ab dem 01.08.2010 für die Dauer von drei Monaten wegen der Weigerung des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung ab.

Durch Bescheid vom 11.08.2010 senkte die Stadt E die Regelleistung der Antragstellerin um 60 v.H. ab dem 01.09.2010 für die Dauer von drei Monaten wegen der Weigerung des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung ab.

Durch Bescheid vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2011 senkte der Antragsgegner Arbeitslosengeld II der Antragstellerin um 100 v. H. für die Dauer von drei Monaten ab wegen eines Verstoßes gegen eine in dem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt vom 21.04.2011 festgelegte Pflicht - Vorlage einer vollständige Bewerbungsmappe bis zum 10.05.2011. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage.

Durch Beschluss vom 06.07.2011 ordnete das Sozialgericht Aachen die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Bescheid vom 04.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2011 an. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch der die Anfechtungsklage keine aufschiebenden Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung anordnen. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2011 entfaltet nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der Fassung ab dem 01.04.2011 keine aufschiebende Wirkung, da durch diesen Bescheid eine Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs um 100 v.H. für die Dauer von drei Monaten feststellt wird.

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin vorzunehmen. Dabei besteht ein Regel-/Ausnahmeverhältnis. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Dies ist der Fall, wenn mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht.

Vorliegend hat das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses festgestellt. Es spricht mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Sanktionsbescheids. Dabei kann dahinstehen, ob nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte die Antragstellerin den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der Fassung ab dem 01.04.2011 erfüllt hat, in dem sie bis 10.05.2011 keine Bewerbungsmappe vorgelegt hat (vgl. zum Begriff des Weigerns: BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R = juris Rn 21; zum Erfordernis der subjektiven Vorwerfbarkeit des Verhaltens: BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R = juris Rn 29) bzw. ob sie einen wichtigen Grund für ihr Verhalten dargelegt und nachgewiesen hat (zum Begriff des wichtigen Grund vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R = juris Rn 29; zum Nachweis der Unmöglichkeit der Erfüllung einer Pflicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R = juris Rn 32).

Jedenfalls ist die Antragstellerin nicht ordnungsgemäß über die Folgen eines Verstoßes gegen die im Verwalt...

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