Entscheidungsstichwort (Thema)
Materiell-rechtliche Bedeutung des Leistungsantrags zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Ein auf Leistungen des SGB 2 gerichteter Antrag wirkt auf den Ersten des Monats zurück. Leistungen werden nach § 37 Abs. 2 SGB 2 nicht vor Antragstellung erbracht. Damit ist ein Anspruch auf Leistungen für einen weiter zurückliegenden Zeitraum ausgeschlossen. Die Vorschrift gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder einen Folgeantrag für weitere Bewilligungsabschnitte handelt, vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 166/11 R.
2. Weil § 37 Abs. 2 SGB 2 keine Fristenregelung enthält, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Verhinderung an einer früheren Antragstellung nicht in Betracht.
3. Hat der Leistungsträger den Betroffenen ausdrücklich auf das erneute Antragserfordernis hingewiesen, so ist auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ausgeschlossen.
4. Nur dann, wenn an einen geringfügigen Verstoß weittragende und offensichtlich unangemessene Rechtsfolgen geknüpft werden oder der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt, kann es der Verwaltung aus dem Gesichtspunkt des von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes der Nachsichtgewährung in bestimmten Fällen verwehrt sein, sich auf eine Fristversäumnis zu berufen.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.04.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe.
Die am 00.00.1965 geborene Klägerin stellte erstmals am 26.10.2009 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Ihr wurden daraufhin Leistungen bewilligt. Im Zusammenhang mit ihrem Einzug in eine Wohnung - die Klägerin war zunächst obdachlos gewesen - stellte sie Ende 2009 weitere Anträge, etwa auf Umzugshilfen und Erstausstattung.
Das Amtsgericht C bestellte - zunächst vorläufig bis zum 03.03.2010 - eine Berufsbetreuerin für die Klägerin für den Aufgabenbereich Gesundheitsfürsorge und im Rahmen dessen: Bestimmung des Aufenthalts, Vermögensangelegenheiten, einschließlich Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Postkontrolle. Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet.
Am 16.08.2010, eingegangen bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) am 23.08.2010, teilte die Betreuerin der Klägerin mit, die Betreuung bestehe nicht mehr.
Am 31.08.2010 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 01.10.2010, welche mit Bescheid vom 02.09.2010 bis einschließlich 31.03.2011 bewilligt wurden.
Mit Schreiben vom 16.03.2011 wandte sich die Schwester der Klägerin an das Amtsgericht X und regte eine Betreuung für die Klägerin an.
Ausweislich eines Schreibens der Stadt X an das Amtsgericht X vom 29.06.2011 war die Klägerin seit dem 28.06.2011 auf Grundlage des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) in der Stiftung U untergebracht. Dort blieb sie bis zum 04.07.2011. Die Klägerin wurde auf Veranlassung des Amtsgerichts X im Rahmen des Betreuungsverfahrens (000) am 05.08.2011 durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie L begutachtet. Dieser kam zu der Einschätzung, die Klägerin sei aufgrund der bei ihr vorliegenden Erkrankungen nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Dies gelte auch für die Vertretung gegenüber Sozialleistungsträgern.
Mit Beschluss vom 12.08.2011 bestellte das Amtsgericht X Frau Q vom Caritasverband vorläufig bis zum 12.02.2012 zur Betreuerin der Klägerin. Ihr Aufgabenkreis umfasste die Aufenthaltsbestimmung, Befugnis zum Empfang von Post, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Sozialleistungsträgern, Ämtern und Behörden und Wohnungsangelegenheiten. Ein Einwilligungsvorbehalt bestand nicht
Die Betreuerin der Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 12.09.2011 die Wiedereinsetzung der Klägerin in den vorigen Stand und die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2011.
In der Zeit vom 12.10.2011 bis 30.12.2011 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im Evangelischen Stift U.
Mit Bescheid vom 09.12.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.09.2011 bis zum 28.02.2012.
Am 21.12.2011 legte die Betreuerin der Klägerin u.a. gegen die konkludente Ablehnung der Bewilligung von Leistungen ab dem 01.04.2011 durch Bescheid vom 09.12.2011 Widerspruch ein. Die Klägerin sei psychisch krank gewesen und habe daher ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können. Aus diesem Grund sei ihr Wiedereinsetzung zu gewähren und Leistungen ab dem 01.04.2011 zu bewilligen.
Am 28.12.2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für den Monat Februar 2012.
Mit Schreiben vom 11.01.2012 teilte der Beklagte mit, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da die Vorausse...