Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit der Auferlegung einer Verschuldensgebühr. Rückforderung überzahlter Sozialleistungen bei bestehendem Erstattungsanspruch gegenüber einem anderen Leistungsträger
Orientierungssatz
1. Ist ein Rückforderungsbescheid eines Rententrägers (hier: Rückforderung überzahlter Witwenrentenleistungen wegen fehlerhafter Einkommensanrechnung) offensichtlich rechtswidrig (hier: wegen offensichtlich grob fehlerhafter Ermessensausübung) und nimmt der Rententräger den Bescheid auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts nicht zurück, um ein sozialgerichtliches Verfahren zu beenden, so kann ihm durch das Gericht eine Verschuldensgebühr auferlegt werden.
2. Ein Antrag auf Aufhebung der in der ersten Instanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens auferlegten Verschuldenskosten ist auch nach Rücknahme einer in der Folge eingelegten Berufung zulässig.
3. Die Rückforderung einer überzahlten Sozialleistung (hier: Überzahlung einer Witwenrente wegen unterbliebener Anrechnung einer Rente aus einer Unfallversicherung) scheidet dann schon von vorn herein aus, wenn der Sozialleistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Träger hat und diesen nicht in Anspruch nahm.
4. Einzelfall zur Auferlegung von Verschuldenskosten wegen Festhaltens an einem offensichtlich rechtswidrigen Bescheid im sozialgerichtlichen Verfahren.
Tenor
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Der Antrag der Beklagten auf Aufhebung der ihr gegenüber im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.03.2014 verhängten Verschuldenskosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz wird abgelehnt.
Gründe
Nach Erledigung der in der Hauptsache umstrittenen Rückforderung von Rentenleistungen ist auf Antrag des Klägers noch über die Kosten des Berufungsverfahrens und auf Antrag der Beklagten über die Aufhebung ihr vom Sozialgericht auferlegter Verschuldenskosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 21.12.1994 Große Witwerrente nach seiner verstorbenen Ehefrau V vom 07.10.1994 bis 31.01.1995 gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 10.03.1995 erfolgte die Anerkennung der Rente ab 07.10.1994 unbefristet.
Wegen unterschiedlichem anzurechnenden Einkommens des Klägers aus Erwerbstätigkeit ergingen in den folgenden Jahren weitere Änderungsbescheide (u. a. Bescheid vom 19.10.2000 für den Zeitraum ab 01.07.2000). Der Kläger teilte regelmäßig seine Einkünfte mit und erstattete Überzahlungen stets. Ab Mai 2004 bezog er von der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Deren Bewilligung wurde hausintern der für die Witwenrente zuständigen Abteilung mitgeteilt, von letzterer ein Überzahlbetrag errechnet und vom Kläger nach Anhörung erstattet.
Mit Schreiben vom 28.09.2004 teilte die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft (BG) der Beklagten mit, dass dem Kläger für die Folgen eines Versicherungsfalls vom 28.11.2000 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bewilligt werde. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 25.10.2004, dass ein Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht werde.
Im Rahmen einer Überprüfung im Mai 2008 stellte die Beklagte fest, dass die vom Kläger bezogenen Unfallrenten fälschlich nicht auf seine Witwerrente angerechnet worden seien. Mit Schreiben vom 24.07.2008 hörte sie ihn zur beabsichtigten Rückforderung von 4.509,54 Euro an. Der Kläger teilte hierzu mit, dass die BG nach seinen Unterlagen die Beklagte über den Leistungsanspruch informiert habe mit der Frage, ob eventuell ein Konflikt mit den laufenden Renten bestehe. Da die Beklagte keine Bedenken erhoben habe, sei es zur Auszahlung gekommen. Er sei sich keiner Schuld bewusst.
Mit Bescheid vom 05.08.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 12.12.1994 über die Bewilligung von Hinterbliebenenrente für die Zeit vom 01.05.2001 bis 30.04.2004 gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 und 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hinsichtlich der Rentenhöhe auf und forderte eine Überzahlung in Höhe von 2685,76 Euro gem. § 50 SGB X vom Kläger zurück. Eine Änderung i.S.v. § 48 SGB X sei mit dem Bezug von zwei Renten der BG wegen Berufskrankheiten seit November 2011 eingetreten. Der Kläger sei darüber informiert gewesen, dass er Einkommen mitteilen müsse, so dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung gem. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X vorlägen. Darüber hinaus könne eine rückwirkende Aufhebung auch auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden, da nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 12.12.1994 Einkommen erzielt worden sei. Auf Bösgläubigkeit oder Verschulden komme es hier nicht an. Der Versicherungsträger habe gem. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X eine Ermessensabwägung vorzunehmen und insbesondere atypische Fälle, d.h. ein Mitverschulden der Deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Eine solche atypische Fallgestaltung liege vor, da der Kläger seit Mai 2004 eine Rente aus eigener Vers...