Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. örtliche Zuständigkeit. Unterbringung in einem Frauenhaus. Einrichtung iS von § 10a Abs 2 S 1 AsylbLG. Eilfall nach § 10a Abs 2 S 3 AsylbLG. Zuständigkeitsstreit. Zuständigkeit der Behörde am Ort des Frauenhauses. Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung. Unzumutbarkeit einer Rückkehr an den rechtmäßigen Aufenthaltsort. Leistungsumfang
Leitsatz (amtlich)
1. Zu einem Frauenhaus als Einrichtung iS von § 10a Abs 2 S 1 AsylbLG (Fassung § 10a ab 24.10.2015).
2. Die Zuständigkeit für Leistungen bei dringlichem Aufenthalt einer Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG in einem Frauenhaus bestimmt sich bei Streit zwischen dem Leistungsträger des Ortes der Wohnsitzauflage und demjenigen des Ortes des Frauenhaues abweichend von § 10a Abs 2 S 1 und Abs 3 S 4 AsylbLG nach der Eilfallvorschrift des § 10a Abs 2 S 3 Alt 2 AsylbLG (Fassung § 10a ab 24.10.2015).
3. Zu den Voraussetzungen eines Eilfalls iS von § 10a Abs 2 S 3 Alt 2 AsylbLG (Fassung § 10a ab 24.10.2015).
4. Zur Zuständigkeit für Leistungen nach § 11 Abs 2 AsylbLG (idF seit 24.10.2015).
5. Zum (weiteren) Leistungsumfang bei § 11 Abs 2 AsylbLG (idF seit 24.10.2015) in atypischen Fällen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2016 geändert. Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vom 17.03.2016 bis zum Ende des Monats der Zustellung der Entscheidung des Senats vorläufig die Kosten für die Unterbringung im Frauenhaus I sowie Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht ab dem 21.03.2016 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H, H, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu vier Fünfteln. Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe findet eine Kostenerstattung nicht statt. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H, H, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes Leistungen nach dem AsylbLG.
Die 1996 geborene Antragstellerin besitzt die serbische Staatsangehörigkeit und reiste mit ihren Eltern und Geschwistern erstmals in den 1990er Jahren in das Bundesgebiet ein. Sie wurde (mit Zuweisungsentscheidung der Bezirksregierung Arnsberg vom 21.09.1999) der Antragsgegnerin zugewiesen. Ihr Asylverfahren blieb erfolglos.
Nach Angaben der Antragstellerin flüchtete sie bereits im Januar 2010 mit ihrer Mutter und zwei weiteren Geschwistern vorübergehend in das Frauenhaus E. Im Jahr 2010 kehrte die gesamte Familie nach Serbien zurück, reiste jedoch im Januar 2013 erneut in das Bundesgebiet ein. Asylfolgeanträge wurden abgelehnt. Die Antragstellerin ist im Besitz einer Duldung, nach welcher ihr Aufenthalt auf Nordrhein-Westfalen beschränkt und die Wohnsitznahme nur in H gestattet ist. Sie erhielt von der Antragsgegnerin in der Vergangenheit laufend Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.
Vom 07.08.2014 bis zum 18.08.2014 hielt sich die Antragstellerin wegen häuslicher Gewalt im Frauenhaus P auf. Die damit verbundenen Unterbringungskosten übernahm die Antragsgegnerin. Wegen ihrer Mutter kehrte die Antragstellerin anschließend in den elterlichen Haushalt zurück (so ein Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 01.10.2014). Aufgrund der Rückkehr nahm sie ihren damaligen Antrag auf Änderung der Wohnsitzbeschränkung in ihrer Duldung gegenüber der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin zurück. Ein bei der (mit Beschluss des Senats vom 24.06.2016 beigeladenen) Stadt I gestellter Antrag auf Zustimmung zum Umzug nach I blieb erfolglos (vgl. das Schreiben der Beigeladenen vom 23.10.2014).
Im Januar 2015 floh die Antragstellerin erneut vor ihrem Vater aus dem Elternhaus und wohnte vorübergehend bei Bekannten und einer Freundin in H sowie im April 2015 bei einem Cousin in N. Zeitgleich beantragte sie bei der Antragsgegnerin die Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung.
Anfang September 2015 sprach die Antragstellerin wiederum bei der Antragsgegnerin vor und erklärte, ihren Aufenthaltsort wegen erneuter massiver familiärer Probleme mehrfach gewechselt zu haben. Wegen eines beabsichtigten Umzugs wollten die Eltern sie nicht länger bei sich wohnen lassen, so dass ihr aktuell Obdachlosigkeit drohe. Nach einem in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerk vom 08.09.2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin daraufhin mit, dass sie notfalls vorübergehend in eine städtische Unterkunft einziehen müsse. Hiermit erklärte sich die Antragstellerin einverstanden. Zugleich erhielt sie vorschussweise Grundleistungen in Höhe von 150 EUR.
Nachdem die Antragstellerin anlässlich einer beabsichtigten (jedoch nicht durchgeführten) amtsärztlichen ...