Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Sozialhilfeleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz bei nicht endgültig feststellbaren Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Antragstellers

 

Orientierungssatz

1. Bei der Entscheidung des Sozialhilfeträgers über die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27 a SGB 12 übersteigen, nach § 43 Abs. 1 SGB 12 zu berücksichtigen.

2. Ist aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw. dessen Ehegatten hierzu im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine verwertbare Grundlage der Einkommenssituation nicht gegeben, so hat das Gericht eine Beweislastentscheidung zu treffen.

3. Ohne wahrheitsgemäße und lückenlose Darlegung aller Einnahmen des Antragstellers und dessen Ehegatten kommen weitere Ermittlungen durch das Gericht nicht in Betracht. Für das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen trägt der Antragsteller die Feststellungslast.

4. Dementsprechend hat das Gericht die zeitliche Reichweite der zu erlassenden einstweiligen Anordnung im Rahmen des ihm nach § 86 b Abs. 2 SGG zustehenden Ermessens zu befristen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren L 9 SO 225/13 B ER wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.05.2013 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07.2013 bis zum 31.10.2013 vorläufig Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch in Höhe von 575,- Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren L 9 SO 226/13 B gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts im Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.05.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren L 9 SO 225/13 B ER gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 13.05.2013 ist teilweise begründet. Im insoweit für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ist der sinngemäß gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verurteilen, der Antragstellerin vorläufig ab dem 13.03.2013 (Antragseingang beim SG) Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) in Höhe von 575,- Euro monatlich zu gewähren, zulässig und teilweise begründet.

1. a) An der Zulässigkeit des statthaften Antrags auf Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehen im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats keine Zweifel mehr. Insbesondere ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nunmehr zu bejahen, nachdem die Antragstellerin nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des SG ein vollständig ausgefülltes Antragsformular beim Antragsgegner eingereicht hat.

b) Allerdings hat die Antragstellerin den Antragsgegner falsch bezeichnet.

Zuständig für die von der Antragstellerin begehrte Leistungsgewährung ist nicht der Hochsauerlandkreis, sondern die Stadt C. Der Hochsauerlandkreis ist zwar gemäß § 1 Abs. 1 des Landesausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) -Sozialhilfe - für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB XII NRW) örtlicher Träger der Sozialhilfe im Sinne von § 97 Abs. 1 SGB XII. Er hat jedoch ausweislich der Ausführungen auf http://www.hochsauerlandkreis.de/buergerinfo/produkte/pr42.php von der Ermächtigung gemäß § 99 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 AG-SGB XII NRW Gebrauch gemacht und durch Satzung die Ausführung der Aufgaben nach dem SGB XII auf die kreisangehörigen Gemeinden, namentlich die hier nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständige Stadt C, delegiert.

Dass die Antragstellerin ihren Antrag dementsprechend gegen den falschen Antragsgegner gerichtet hat, macht ihren Antrag allerdings weder wegen fehlender passiver Prozessführungsbefugnis unzulässig noch wegen fehlender Passivlegitimation unbegründet. Es kommt auch nicht darauf an, dass die Antragstellerin bislang nicht ausdrücklich im Sinne einer Antragsänderung in Form des Beteiligtenwechsels erklärt hat, dass sie sich nunmehr gegen die Stadt C wenden möchte. Vielmehr ergibt eine Auslegung des Begehrens der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes, dass sie sich von Anfang an gegen die wirklich zuständige Gebietskörperschaft und damit gegen die Stadt C richten wollte. Dass sie ihren Antrag fälschlicherweise gegen den Hochsauerlandkreis gerichtet hat, ist offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass der Hochsauerlandkreis als zuständige Widerspruchsbehörde in vorangegangenen Verfahren Widerspruchsbescheide erlassen hat. Der Senat konnte deshalb von Amt...

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