Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung einer vertragsärztlichen Zweigpraxis
Orientierungssatz
1. Wird einem Vertragsarzt das Betreiben einer Zweigpraxis erlaubt, so reicht die wirtschaftliche Betroffenheit eines dritten Vertragsarztes nicht für die Annahme einer Anfechtungsbefugnis aus. Die Rechtsordnung gewährt bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten grundsätzlich keinen Schutz vor Konkurrenz.
2. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV kommt infolgedessen unter keinem Gesichtspunkt eine drittschützende Wirkung in dem Sinne zu, dass von der Zweigpraxisgenehmigung betroffene Konkurrenten befugt sind, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten.
3. Ausnahmsweise ist die Befugnis niedergelassener Vertragsärzte dann zu bejahen, wenn diese plausibel geltend machen können, die Ermächtigung sei willkürlich oder mit der gezielten Absicht ihrer Benachteiligung erteilt worden.
4. Das ist u. a. dann der Fall, wenn sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ausschließlich auf die Angaben des Antragstellers stützt, ohne eigene Ermittlungen darüber zu führen, ob die Zweigpraxis zu einer Verbesserung der Versorgung führt. In einem solchen Fall ist die Drittanfechtung nicht offensichtlich unzulässig.
5. Die Genehmigung einer Zweigpraxis setzt nicht zwingend das Bestehen einer ausgleichsbedürftigen Versorgungslücke voraus. Notwendig ist lediglich eine Verbesserung der Versorgung. Durch die Rechtsprechung ist inzwischen geklärt, dass eine Zweigpraxis nur dann genehmigt werden kann, wenn eine qualifizierte Versorgungsverbesserung nachgewiesen ist.
6. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob der von der KV getroffenen Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die KV die durch die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Verbesserung der Versorgung" und "ordnungsgemäße Versorgung" ermittelten Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Erwägungen so begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist.
7. Eine fehlerhafte Begründung macht den Bescheid rechtswidrig, aber nicht nichtig. Eine unzureichende Begründung kann mittels Nachschieben von Gründen noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz geheilt werden.
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.06.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) tragen die Hälfte der Verfahrenskosten als Gesamtschuldner. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der Verfahrenskosten.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist eine Zweigpraxisgenehmigung.
Der Antragsteller ist ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Sitz in E (Fachgebiete: Radiologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie). Die Beigeladenen zu 1) bis 3) (im Folgenden: Beigeladene) sind niedergelassene Fachärzte für Radiologie bzw. diagnostische Radiologie mit Sitz in D. Sie wenden sich mit der defensiven Konkurrentenklage (S 52 (9) KA 64/09) gegen die dem Antragsteller erteilte Genehmigung einer Zweigpraxis in D, H-Straße 00 (St. S-Hospital).
Mit Bescheid vom 24.06.2008 genehmigte die Antragsgegnerin die vertragsärztliche Tätigkeit in der Zweigpraxis mit dem Leistungsspektrum Radiologie sowie den Sprechstundenzeiten von montags bis donnerstags von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr und freitags von 08.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Ausgehend von den im Antrag gemachten Angaben führe die vertragsärztliche Tätigkeit zur Verbesserung der Patientenversorgung im Gebiet der Zweigpraxis, denn die Wegezeiten für die Versicherten würden verkürzt; angesichts der für den Vertragsarztsitz angegebenen Sprechzeiten werde dort die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten nicht beeinträchtigt.
Gegen den Bescheid vom 24.06.2008 erhoben die Beigeladenen unter dem 09.12.2008 Widerspruch.
Mit Schreiben vom 08.01.2009 beantragte der Antragsteller im Widerspruchsverfahren, die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 24.06.2008 bzw. der zu erwartenden Widerspruchsentscheidung der Antragsgegnerin anzuordnen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 30.04.2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Beigeladenen zurück. Der Widerspruch sei zulässig. In der Zulässigkeitsprüfung sei die drittschützende Wirkung grundsätzlich zu unterstellen. Er sei jedoch unbegründet, weil § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) keine drittschützende Wirkung zukomme. Ohnehin sei die Genehmigung zu Recht erteilt worden. Angesichts der in dem Antrag und der Widerspruchsbegründung genannten Argumente sei von einer Steigerung der Versorgungsqualität und -dichte auszugehen. Eine Beeinträchtigung der Versorgung am Vertragsarztsitz der Antragstellerin sei nicht ersichtlich.
Den im Widerspruchsverfahren gestellten Antrag des Antragstellers auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides hat die Antragsgegnerin nicht beschieden.
Den Widerspruchsbescheid vom 30.04.2009 haben die Beigeladenen mittels Klage angegriffen. Das Verfahren ist zum Aktenzeichen S 52 (9)...