Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der den Antragsteller befürchten lassen kann, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden.
2. Die Rüge von Rechtsverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.
3. Die Stellung einer Strafanzeige gegen einen Richter ist nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Diese muss sich aus der konkreten Verhaltensweise des Richters selbst herleiten lassen.
4. Wird dem Richter vorgeworfen, trotz eines gestellten Befangenheitsantrags in der Sache entschieden zu haben, begründet auch das keine Befangenheit. Ob darin ggf. ein Verfahrensfehler gesehen werden kann, bleibt der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren vorbehalten.
Tenor
Das Gesuch der Antragstellerin auf Ablehnung von Richterin am Sozialgericht X wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Befangenheitsgesuch der Antragstellerin (AS) ist nicht begründet.
Das Gesuch ist nicht mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zu verwerfen (s. dazu den ebenfalls in einem Rechtsstreit der AS ergangenen Beschluss des Senats vom 29.08.2011 - L 11 SF 163/11 AB -). Denn die abgelehnte Richterin ist noch insoweit mit dem vorliegenden Rechtsstreit befasst, als dass sie zumindest noch über die Erinnerung der AS gegen den Ansatz der Gerichtskosten zu entscheiden hat (s. Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 11.08.2011).
Indes bestehen keine Gründe, die abgelehnte Richterin von der noch ausstehenden Entscheidung wegen Besorgnis der Befangenheit auszuschließen. Denn eine begründete Besorgnis besteht, wie bereits zutreffend mit Beschlüssen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 19.03.2009 und 24.07.2009 in den von der AS geführten sog. Musterverfahren L 11 AR 101/08 AB, L 15 AR 99/09 und L 15 AR 100/09 AB festgestellt wurde, nicht.
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den AS von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rspr., vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - und vom 02.12.1992 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 -; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die AS verkennt weiterhin, dass das Ablehnungsverfahren nicht der Überprüfung richterlicher Vorgehensweisen auf etwaige Rechts- bzw. Verfahrensfehler dient. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sind vielmehr grundsätzlich mit dem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen. Die Rüge von Rechtsverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne Weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt hat oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen wurde, dass sich bei dem Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen konnte (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.09.1994 - VIII B 64-76/94 pp - m.w.N.; Beschlüsse des LSG NRW vom 10.04.2006 - L 10 AR 42/06 und L 10 AR 43/06 - und des Senats vom 25.11.2009 - L 11 AR 117/09 AB -, vom 20.01.2010 - L 11 AR 129/09 AB und L 11 AR 130/09 AB -, vom 17.05.2010 - L 11 SF 102/10 AB -, vom 19.07.2010 - L 11 SF 108/10 AB - und vom 30.03.2011 - L 11 SF 44/11 AB -).
Für eine derartige unsachliche Einstellung der abgelehnten Richterin oder für Willkür bestehen indes keine Anhaltspunkte; sie sind auch von der AS nicht dargetan. Sie macht vielmehr im Wesentlichen eine falsche Rechtsanwendun...