Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für einen Unionsbürger bei fehlender Verbindung zum Arbeitsmarkt

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 ist auf Unionsbürger anwendbar, die sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten.

2. Sinn und Zweck der Norm ist es, eine unangemessene Belastung der sozialen Sicherungssysteme zu verhindern. Damit sollen nicht erwerbsfähige EU-Bürger, die nicht einmal zum Zweck der Arbeitsuche eingereist sind und nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügen, in den Leistungsausschluss einzubezogen werden.

3. Der Leistungsausschluss ist damit auf einen Unionsbürger anzuwenden, der wirtschaftlich inaktiv ist, ohne über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen.

4. Verfügt der Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel und keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz, so kann er hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen keine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmestaates verlangen.

5. Ist eine Beschäftigungssuche mit dadurch begründeter Verbindung zum Arbeitsmarkt vom Antragsteller nicht belegt, so besteht auch kein Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2 i. V. m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 SGB 3.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.12.2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 SGB II hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Es kann dahin stehen, ob er hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II ist, weil ein möglicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Regelung findet auf den Antragsteller Anwendung. Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitsuche ist nicht ersichtlich.

Der 1994 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben reiste er im Juli 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Eine Berufstätigkeit hat er seither nicht ausgeübt. Der Antragsteller ist damit weder als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU noch als Selbständiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Er ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihm bereits an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Sein Aufenthaltsrecht kann sich damit allenfalls aus dem Zweck der Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU in der Fassung vom 02.12.2014) ergeben. Danach sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Eine aktive Arbeitsuche im jetzt bereits mehr als zweieinhalb Jahre umfassenden Zeitraum seit seiner Einreise hat der Antragsteller, der im Verfahren wiederholt geltend gemacht hat, er halte sich zur Arbeitsuche im Bundesgebiet auf, nicht glaubhaft gemacht. Die im Beschwerdeverfahren jetzt eingereichten und mit handschriftlichen Notizen zur nicht erfolgten Einstellung versehenen drei Stellenangebote sind dafür keinesfalls ausreichend. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass ein junger Mann von ca. 20 Jahren, bei dem keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen, die sich auf sein Arbeitsvermögen auswirken könnten, und der behauptet, sich durchgehend um Arbeit bemüht zu haben, im Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren keine irgendwie geartete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit und sei es in Form ...

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