Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Bewilligung von Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht. Klage gegen vorläufige Entscheidung. Ablehnung von Arbeitslosengeld wegen möglicher Sperrzeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei einer Klage gegen eine auf § 328 SGB 3 gestützte vorläufige Leistungsablehnung wegen einer möglicherweise noch festzustellenden Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.07.2014 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen ab dem 17.06.2014 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Q aus N beigeordnet.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für die gegen den Bescheid vom 10.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2014 gerichtete Klage, mit der sich die Klägerin gegen die vorläufige Ablehnung von Arbeitslosengeld wegen eventuell verwirklichter Sperrzeiten im Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 31.03.2014 und vom 01.04.2014 bis zum 07.04.2014 und die vorläufige Minderung der Anspruchsdauer um insgesamt 97 Tage wendet, zu Unrecht abgelehnt.

1. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Entgegen der Auffassung des SG bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen kann der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden. Das BSG hat in seinem Urteil vom 02.05.2012 - B 11 AL 23/10 R -, juris Rn. 20, dem ein Bescheid der Beklagten zugrunde lag, in dem ebenfalls für den Zeitraum einer möglichen, durch weitere Ermittlungen zu verifizierenden Sperrzeit vorläufig Arbeitslosengeld in Höhe von "0" Euro festgesetzt worden war, Folgendes ausgeführt:

"Gegen einen Erfolg in dem vorbezeichneten Sinn spricht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Umstand, dass die Beklagte im Ausgangsbescheid vom 1.10.2008 nur eine vorläufige Entscheidung getroffen hat. Denn es ist dem Adressaten eines Verwaltungsakts nicht verwehrt, auch gegen eine vorläufige Regelung Widerspruch einzulegen (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 6 KA 35/10 R, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 63 Nr 16 vorgesehen). Der Kläger war nach den getroffenen Feststellungen durch den vorläufigen Bescheid der Beklagten, mit dem ihm Entgeltersatzleistungen verweigert worden sind, beschwert und er war deshalb nicht gehindert, auf eine Änderung dieser Entscheidung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln hinzuwirken (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011 aaO RdNr 18).

Dahinstehen kann deshalb, ob § 328 Abs 1 S 1 SGB III überhaupt Rechtsgrundlage für eine vorläufige Leistungsablehnung sein kann. Dies dürfte allerdings nach dem Gesetzeswortlaut ("Erbringung von Geldleistungen") und nach dem Zweck der Vorschrift, existenznotwendige Leistungen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen, zu verneinen sein (in diesem Sinne Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 1, 41, Stand 2011; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240, 243)."

In Anbetracht dieser Ausführungen spricht mehr dafür als dagegen, dass die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem eine endgültige Entscheidung über die Sperrzeit, die zur Erledigung der angefochtenen Bescheide führen würde, noch nicht ergangen ist, zulässig und begründet ist, weil die Beklagte nicht befugt war, die Gewährung von Arbeitslosengeld wegen einer möglichen Sperrzeit vorläufig teilweise abzulehnen. In jedem Fall sind schwierige Rechtsfragen zu klären, die höchstrichterlich noch nicht abschl...

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