Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenabwägung beim einstweiligen Rechtschutz gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Honorarrückforderung

 

Orientierungssatz

1. Bei der gerichtlichen Entscheidung über die sofortige Vollziehbarkeit einer Honorarrückforderung der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber einem Vertragsarzt nach § 86b Abs. 1 SGG sind die öffentlichen Interessen mit dem privaten Interesse des Eilrechtschutzsuchenden abzuwägen.

2. Der für die Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz erforderliche Anordnungsgrund ist glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung erfordert eine Beweisführung.

3. An der erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes der Eilbedürftigkeit fehlt es u. a. dann, wenn das eingelegte Rechtsmittel trotz Aufforderung des Gerichts innerhalb von drei Monaten nicht begründet worden ist.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.06.2017 wird zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 32.825,00 EUR festgesetzt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die sofortige Vollziehbarkeit einer Honorarrückforderung von 437.666,45 EUR infolge einer Plausibilitätsprüfung. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat den Antrag auf Aussetzung des Rückforderungsbescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 mit Beschluss vom 30.06.2017 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 28.07.2017. In dieser haben seine Bevollmächtigten angekündigt, die Beschwerde bis zum 04.09.2017 zu begründen. Ungeachtet dessen sind sie nochmals mit Verfügung vom 02.08.2017 darum gebeten worden, die Beschwerde zu begründen, dies verbunden mit dem Hinweis, "dass es sich um ein Eilverfahren handelt und aus der Dauer der Begründung ggf. Rückschlüsse auf die Eilbedürftigkeit gezogen werden können". Parallel erhielten die Bevollmächtigten die Akten zur Einsicht.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass das Verfahren eilbedürftig ist. Rechtsgrundlage für sein Begehren ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG sind die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen (Senat, Beschluss vom 06.02.2017 - L 11 KA 62/16 B ER -; Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an. Diese haben indessen keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG, da sie dort in der Form des Anordnungsgrundes gleichrangig neben dem Anordnungsanspruch stehen. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung unter Umständen einzubeziehender Umstände und können - je nach Sachlage - auch von untergeordneter Bedeutung sein (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -).

Hierzu hat der Senat mit Blick auf § 86b Abs. 2 SGG ausgeführt (Beschluss vom 04.05.2016 - L 11 KR 786/15 B ER -):

"Sowohl für die Sicherungs- als auch für die Regelungsanordnung bedarf es eines Anordnungsgrundes. Diesen definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Anordnungsgrund ist nach Maßgabe des § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung verlangt eine Beweisführung (Senat, Beschluss vom 30.07.2015 - L 11 KR 303/15 B ER -). Daran fehlt es. Der Antragsteller hat seine Beschwerde nicht begründet. Der Senat hat der Bevollmächtigten des Antragstellers die Streitakten unter dem 01.02.2016 zur Akteneinsicht übersandt. Die Akten sind am 19.02.2016 zurückgegeben worden. Ausweislich der Beschwerdeschrift vom 10.12.2015 war angekündigt, die Beschwerde nach Akteneinsicht zu begründen. Das ist nicht geschehen. Mit Verfügung vom 11.04.2016 hat der Senat an die Beschwerdebegründung mit dem Zusatz erinnert, nötigenfalls möge eine Rücknahme erwogen werden. Hierauf ist kein Eingang zu verzeichnen. Infolgedessen fehlt es schon deswegen am Anordnungsgrund, weil die Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft ist (hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 23.11.2015 - L 11 KR 535/15 B ER - und 19.09.2014 - L 11 KA 61/14 B ER -)."

Auch vorliegend ist die Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Die Beschwerde ist am 28.07.2017 anhängig geworden. Die Akten wurden den Bevollmächtigten des Antragstellers zur Einsicht mit Verfügung vom 02.08.2017 mit der Bitte um Rückgabe binne...

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