Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorrangige Sozialleistung. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Ermessensausübung. keine Ermessensreduzierung auf Null. Ermessensfehlgebrauch
Orientierungssatz
1. Die Aufforderung des Leistungsberechtigten gem §§ 5 Abs 3, 12a SGB 2 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen steht im Ermessen des Grundsicherungsträgers. Der Leistungsberechtigte hat einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung des Grundsicherungsträgers (§ 39 Abs 1 SGB 1).
2. Allein der Umstand, dass durch die Beantragung der vorzeitigen Altersrente die Hilfebedürftigkeit nicht vollständig entfällt, bedingt keine Ermessensreduzierung auf Null bzw gebundene Entscheidung zugunsten des Leistungsberechtigten.
3. Bei seiner Ermessensentscheidung ist der Grundsicherungsträger gehalten, sich mit den vorgetragenen Einwänden des Betroffenen auseinanderzusetzen und auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls einzugehen. Hat der Grundsicherungsträger den Ausführungen im Widerspruchsbescheid einen unvollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt und weder die Höhe der abschlagsfreien Nettoaltersrente noch die der vorgezogenen Nettoaltersrente ermittelt, so hat er von dem eingeräumten Ermessen in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Die Aufforderung zur Rentenbeantragung ist daher rechtswidrig und infolgedessen aufzuheben.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.09.2014 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2014 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Aufforderung des Antragsgegners, einen Antrag auf Altersrente zu stellen.
Die am 00.00.1951 geborene Antragstellerin bezieht seit 2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, zuletzt in Höhe von 756,00 EUR monatlich. Zudem verfügt sie über ein monatliches Einkommen in Höhe von 100,00 EUR aus einer geringfügigen Beschäftigung als Haushaltshilfe.
Mit Bescheid vom 16.04.2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, einen Antrag auf Altersrente zu stellen. Die Antragstellerin sei verpflichtet, einen Antrag bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente (d.h. mit Abschlägen) beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 15.05.2014 Widerspruch ein. Sie rügte die fehlende Ausübung von Ermessen. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sie bei Beantragung der vorzeitigen Altersrente Zeit ihres Lebens auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen wäre. Ihre Altersrente ohne Abschläge hingegen würde in etwa zur Deckung des Lebensunterhaltes ausreichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurück. Die Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, stelle sich bei nachgeholter Ermessensausübung als rechtmäßig dar. Er hat ausgeführt:
"Die Beantragung einer anderen Sozialleistung ist dann nicht erforderlich, wenn dieser Antrag zu dem Verlust weiterer Leistungsansprüche führt, etwa aus einem Arbeitsverhältnis oder aber wie in § 2 der UnbilligkeitsV vorgesehen, des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (LSG NRW 01.02.2010 - L 19 B 371/10 AS; Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3.Auflage 2013, § 12a SGB II rd. 10 m.w.N.).
Wie bereits ausgeführt würden die Rentenleistungen zu einer Verringerung des SGB II-Anspruchs ihrer Mandantin führen. Der Verlust weiterer Ansprüche ist durch die Stellung des vorzeitigen Rentenantrags nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Aufgabe ihres Minijobs aufgrund der Hinzuverdienstgrenze von 450,00 EUR nicht notwendig.
Ihr Einwand, Ihre Mandantin wäre im Fall der vorgezogenen Altersrente länger hilfebedürftig als im Fall der regulären Altersrente, trifft ebenfalls nicht zu.
Der Bedarf Ihrer Mandantin beträgt derzeit 756,00 EUR (391,00 EUR Regelbedarf, 8,99 EUR Mehrbedarf Warmwasser u. 356,01 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung). Die abschlagsfreie Altersrente Ihrer Mandantin beläuft sich auf 767,18 EUR. Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 EUR, wäre ein Betrag von 737,18 EUR bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Es verbliebe dann ein geringerer Restanspruch nach dem SGB II, der aufgrund der jährlichen Regelsatzanpassung steigen würde."
Am 22.07.2014 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf und hat zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Aufforderungsbescheid vom 16.04.2014 anzuordnen. Da der Ausgangsbescheid keinerlei Ermessensausübung erkennen lasse, sei er von Anfang an rechtswidrig. Auch der Widerspruchsbescheid enthalte keine Ermessensausübung.
Durch Beschluss vom 16.09.2014 hat das Sozialgericht den Antrag abgel...