Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsaktes

 

Orientierungssatz

1. Die Eingliederungsvereinbarung bzw. der sie ersetzende Verwaltungsakt müssen zu ihrer Rechtmäßigkeit konkrete Bestimmungen darüber enthalten, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält und welche Bemühungen er hierzu in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss sowie in welcher Form er diese Bemühungen nachweisen muss. Legt der Grundsicherungsträger darin zwar umfangreiche Verpflichtungen des Hilfebedürftigen fest, stehen diesen aber keine benannte eigenständige konkrete Pflichten des Versicherungsträgers gegenüber, so genügt eine solche Eingliederungsvereinbarung bzw. ein solcher -verwaltungsakt nicht den gesetzlichen Vorgaben.

2. Die festgelegten Eigenbemühungen müssen hinsichtlich Art, Umfang und Nachweis hinreichend bestimmt sein. Für den Leistungsberechtigten muss klar erkennbar sein, welche Pflichten ihn treffen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.10.2012 abgeändert. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M, F, beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Antragsteller erhält ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner und kann die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen. Sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 04.09.2012 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 29.08.2012 hatte auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch vom 04.09.2012 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt hat nach § 39 Nr.1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, da er Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bzw. Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse) gegenüber den öffentlichen Interessen an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarisch zu überprüfen. Die danach erforderliche Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren. Daneben sind aber auch alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86 b Rdnr 12a bis 12h mwN). Ist der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil ein öffentliches Interesse an der Vollziehung dann nicht bestehen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 86 b Rdnr 12f).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hier erfüllt, weil gegen die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 29.08.2012 durchgreifende Bedenken bestehen. Zentraler Bestandteil einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II und eines diese Vereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sind gem. § 15 Abs.1 Satz 2 SGB II Bestimmungen darüber, welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält und welche Bemühungen er hierzu in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss sowie in welcher Form er diese Bemühungen nachweisen muss. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 29.08.2012 bestehen hier bereits deshalb, weil der Antragsgegner dort zwar umfangreiche Verpflichtungen des Antragstellers festgelegt hat, für sich selbst aber über die bereits nach den gesetzlichen Vorschriften des SGB II bestehende Verpflichtung zur "Info und Beratung nach gesetzlichen Vorgaben" keine eigenständigen konkreten Pflichten bestimmt hat. Nach dem Grundsatz des Forderns und Förderns muss die Eingliederungsvereinbarung bzw. der sie ersetze...

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