Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB 5 ist dem Vertragsarzt die Zulassung zu entziehen, wenn er u. a. seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Zu den Grundpflichten eines Vertragsarztes gehört die peinlich genaue Abrechnung. Die Zulassungsentziehung darf nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung ist.

2. War der Vertragsarzt innerhalb sechs Jahren Regressforderungen in Höhe von 226.000.- €. ausgesetzt und wurden Abrechnungen in 329.000 Punkten berichtigt und hat er gleichwohl angekündigt, er werde sein Abrechnungsprocedere unverändert fortsetzen, so ist ihm als ultima ratio nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB 5 die vertragsärztliche Zulassung zu entziehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.08.2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Entzug der Zulassung der Klägerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.

Die 1941 geborene Klägerin ist seit dem 01.04.1982 niedergelassene Ärztin und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) kam es in der Vergangenheit ab den 1990er Jahren zunehmend zu Abrechnungsstreitigkeiten. Am 17.01.2001 setzte der Disziplinarausschuss der Beigeladenen zu 1) aus diesem Grund gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 20.000,00 DM wegen unwirtschaftlichen Verhaltens in den Jahren 1996 bis 1999 fest. Mit Urteil vom 24.09.2008 - S 33 KA 309/06 - hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf auf die Klage der Klägerin die Geldbuße auf 2.500,00 DM reduziert. Die Berufung der Klägerin war erfolglos (Senat, Urteil vom 15.12.2019 - L 11 KA 100/08 -). Er erachtete die vom Disziplinarausschuss festgesetzte Disziplinarmaßnahme insgesamt für rechtmäßig.

Ab 2006 stellten die Prüfgremien erneut Unwirtschaftlichkeiten fest und kürzten das Honorar. So setzte der Beschwerdeausschuss für Ärzte und Krankenkassen im Rahmen von Arzneimittelrichtgrößenprüfungen folgende Regresse fest: 2006 7.826,42 EUR, 2007 59.823,03 EUR, 2008 23.903,45 EUR, 2009 30.473,47 EUR und 2010 47.816,08 EUR. Die hiergegen von der Klägerin durchgeführten Widerspruchs- und Klageverfahren verliefen weit überwiegend erfolglos. So wurden ihre Klagen gegen die Regressforderungen aus 2006 und 2007 vom SG Düsseldorf ab- und die Berufungen vom Senat zurückgewiesen. Im Hinblick auf das Jahr 2008 wurde die Regressforderung durch gerichtlichen Vergleich auf 19.122,76 EUR reduziert. Die Klagen gegen die Regressforderungen aus den Jahren 2009 und 2010 wurden erneut abgewiesen, die Berufungen zurückgewiesen (SG Düsseldorf: S 14 KA 128/06, S 14 KA 205/06, S 14 KA 267/06, S 2 KA 3/09, S 33 KA 66/09, S 2 KA 52/10, S 33 KA 631/10, S 33 KA 76/12, S 33 KA 238/13 und S 33 KA 76/12; Senat: L 11 KA 1/09, L 11 KA 3/09, L 11 KA 4/09, L 11 KA 75/10, L 11 KA 90/13, L 11 KA 136/11 und L 11 KA 7/17). Soweit die Klägerin in der Vergangenheit Nichtzulassungsbeschwerden vor dem Bundessozialgericht (BSG) eingelegt hat, wurden diese stets durch Beschluss verworfen (vgl. die Beschwerdeverfahren B 6 KA 29/11, B 6 KA 33/11 B und B 6 KA 36/11 B). Darüber hinaus wurden gegen die Klägerin von der Beigeladenen zu 1) Regressbescheide zur sachlich-rechnerischen Berichtigung der Gebührenordnungsposition (GOP) 01100 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) in den Quartalen III/2009 bis III/2012 in 1.534 bis 2.169 Fällen angesetzt. Diese Regressbescheide sind bestandskräftig geworden. Auch in der Folgezeit musste die Klägerin regressiert werden. So ist aktuell noch ein Regressbescheid gegen die Klägerin (SG Düsseldorf - S 33 KA 238/13 -) vor dem Senat anhängig (L 11 KA 11/17).

Am 24.01.2013 beantragte die Beigeladene zu 1), der Klägerin die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen. Die Klägerin habe ihre vertragsärztlichen Pflichten wiederholt gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss gab dem Antrag statt (Beschluss vom 06.03.2013). Aufgrund der fortgesetzten erheblichen Verstöße und der Uneinsichtigkeiten der Klägerin, die sie im Rahmen der Sitzung am 06.03.2013 weiterhin an den Tag gelegt habe, sei das Vertrauen in ihre wirtschaftliche Verordnungsweise nachhaltig gestört. Des Weiteren bestünden aufgrund der über Jahre andauernden falschen Abrechnung der GOP 01100 EBM Zweifel daran, dass sie sich zukünftig rechtmäßig verhalte. Hieraus folge eine Ungeeignetheit gemäß § 21 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), weswegen die Zulassung zu entziehen sei.

Die Klägerin widersprach und verwies darauf, dass ihr berufliches Handeln stets von der Maxime geleitet sei, der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit ihrer Patienten besondere Beachtung zu schenken. Dies gelte selbst dann, wenn dem im Einzelfall wirtschaftliche Überlegungen entgegenstehen könn...

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