Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Die Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ohne Ausnahme zulässig. Sie wird vom Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst.
2. Das Gericht kann nach § 202 SGG i. V. m. § 124 Nr. 4 ZPO die Bewilligung von PKH aufheben, wenn der Beteiligte länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist. Ein solcher Zahlungsrückstand führt nur dann zur Aufhebung der bewilligten PKH, wenn er von dem Betroffenen zu vertreten ist, vgl. BGH, Beschluss vom 09. Januar 1997 - IX ZR 61/94.
3. Von einem unverschuldeten Zahlungsrückstand ist auch dann auszugehen, wenn der Betroffene von vorneherein, also schon im Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewilligung von PKH, nicht in dem vom Gericht angenommenen Umfang leistungsfähig war.
4. Das ist u. a. dann der Fall, wenn der Betroffene bereits im Zeitpunkt der Bewilligung von PKH wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen ist, die monatlichen Raten in der festgesetzten Höhe zu tragen.
Normenkette
SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 124 Nr. 4
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 15.06.2012 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen ausgebliebener Ratenzahlungen sowie gegen die angeordnete Kostenbeteiligung und Höhe der monatlichen Raten.
Mit Beschluss vom 08.09.2011 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin für das seinerzeit anhängig gewesene, mittlerweile beendete Klageverfahren ab dem 03.03.2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten. Als Kostenbeteiligung der Klägerin setzte das Gericht acht monatliche Raten i.H.v. 95,00 EUR, erstmals zu zahlen für den Monat Oktober 2011 und fällig jeweils am 01. des Folgemonats, fest. Im Rahmen der Berechnung der monatlichen Raten legte die Kammer ein monatliches Nettoarbeitseinkommen der Klägerin i.H.v. monatlich 858,50 EUR abzüglich einer Arbeitsmittelpauschale i.H.v. 5,20 EUR, einer Pauschale für Erwerbstätige i.H.v. 182,00 EUR sowie eines Grundfreibetrags i.H.v. 400,00 EUR, insgesamt also 271,30 EUR, zugrunde.
Nachdem die Klägerin in der Folgezeit ihrer Ratenzahlungspflicht nicht nachgekommen war, hörte der Kammervorsitzende die Klägerin mit Schreiben vom 04.05.2013 zu der beabsichtigten Aufhebung des Prozesskostenhilfebeschlusses an und gab ihr Gelegenheit, binnen vier Wochen zu den Gründen der unterbliebenen Ratenzahlung Stellung zu nehmen. Eine Reaktion der Klägerin auf das Anschreiben erfolgte nicht.
Mit Beschluss vom 15.06.2012 hat das Sozialgericht den Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 08.09.2011 aufgehoben. In den Gründen hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses seien gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 124 Nr. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) erfüllt. Die Klägerin befinde sich länger als drei Monate mit der Zahlung der festgesetzten Raten im Rückstand. Auch sei davon auszugehen, dass sie ihrer Ratenzahlungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei. Sie habe bisher nicht schlüssig dargelegt, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zur Zahlung von Raten in der Lage zu sein.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 22.06.2012 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 20.07.2012 Beschwerde erhoben und geltend gemacht, ihr sei Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen zu gewähren. Zu Unrecht habe das Sozialgericht eine Kostenbeteiligung von Raten à 95,00 EUR angeordnet. Insofern sei unberücksichtigt geblieben, dass sie noch in der Haushaltsgemeinschaft ihrer Familie wohne, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe. Folglich werde ihr Einkommen teilweise als Unterhaltszahlung der Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Darüber hinaus sei der von ihr zu leistende Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 115 Abs., 1 S. 3 Nr. 3 und 4 ZPO von dem in Ansatz gebrachten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig und begründet (dazu unter 1.). Soweit sich die Beschwerde darüber hinaus gegen die Kostenbeteiligung in Form von Raten und deren Höhe richtet, ist sie bereits unzulässig (dazu unter 2.).
(1.) Die Beschwerde gegen die Aufhebung der mit Beschluss des Sozialgerichts vom 15.06.2012 erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 172, 173 SGG zulässig, insbesondere statthaft. Zwar ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, wen...